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Die Stimme des Blutes

Titel: Die Stimme des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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absurd«, sagte Edmond von Clare. »Eine Frau ist von geringem Wert. Sie erfüllt ihren Zweck als Gefäß für den Samen ihres Mannes. Meine beiden ersten Frauen haben sogar darin versagt. Wenn sie schon im Kindbett starben, hätten sie mir doch ihre Kinder lebend hinterlassen können. Aber nein, dafür waren sie zu selbstsüchtig. Doch das Mädchen Daria scheint sich bester Gesundheit zu erfreuen. Sie wird mir Söhne schenken.«
    Roland war verblüfft über die Worte des Grafen. Er hatte schon Männer gehört, die vor ihresgleichen schworen, daß Frauen ein Besitz wie jeder andere seien. Aber noch nie hatte jemand eine Frau als selbstsüchtig bezeichnet, weil sie ein totgeborenes Kind zur Welt gebracht hatte. Das überstieg jedes Maß. »Wer ist sie?« fragte er. »Sie ist offenbar eine Lady und beträgt sich schon wie die Burgherrin.«
    Ohne Zögern antwortete der Graf bereitwillig: »Sie ist die Nichte eines Mannes, den ich seit fünf Jahren töten wollte. Fluch seiner verrotteten Seele! Aber wenn sie meine Frau wird, ist er vor mir sicher. Zu diesem Kompromiß bin ich bereit. Außerdem bringt sie mir eine reiche Mitgift in die Ehe. Ich muß also auf meine Rache an ihrem Onkel verzichten, wenn ich die Nichte zur Frau nehme. Ausgenommen natürlich, ich könnte ihn umbringen, ohne daß es jemand erfährt.« Plötzlich fragte er: »Was glaubt Ihr, Pater, wenn ein Mann aufrichtig die Absicht hat, eine Frau zu heiraten, ist es dann Sünde, wenn er sie zu sich ins Bett nimmt, bevor er vor Gott zu ihrem Mann geworden ist?«
    Die Frage amüsierte Roland. Edmond von Clare war ungern bereit, der Wollust nachzugeben. Doch wenn er es tat, verlangte er, daß Gott ihm vergäbe. Falls er aber Daria in sein Bett nahm, bevor Roland sie aus Tyberton wegschaffen konnte... Roland kannte Damon Le Mark gut genug. Wenn der Mann mit Sicherheit wußte, daß sie keine Jungfrau mehr war, würde er seine Absicht wahrmachen und sie töten. Er wollte sie nur für Colchester zurückhaben, weil ihm die Vermählung die begehrten Ländereien einbringen würden, die seinen Besitz abrundeten. Doch da Colchester seinen Sohn von der Ehe zurückhalten würde, wenn ihre Jungfernschaft beschädigt war, mußte sich Damon Le Mark in diesem Fall mit dem Geld aus ihrem Erbe begnügen. Und um an das heranzukommen, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich seiner Nichte zu entledigen.
    Roland sagte mit jener Festigkeit, die ein Priester aufbringen muß: »Die Wollust eines Mannes darf sich nicht auf seine Ehefrau oder auf die Lady richten, die bald seine Frau sein wird. Wenn er sein Verlangen unbedingt befriedigen will, sollte er es bei einer anderen Frau von geringerer Herkunft tun.«
    Edmond von Clare erhob keinen Widerspruch. Schließlich fand der nicht endenwollende Abend doch einen Abschluß, als Clare vor den versammelten Männern und Frauen von Tyberton Gebete sprach. Clare wollte auf den Benediktinermönch Eindruck machen. Er glaubte auch zu bemerken, daß die meisten Anwesenden seine Bemühung um die Rettung ihrer Seelen anerkannten. Nur einige üble Kerle wurden unruhig. Er würde dafür sorgen, daß sie bestraft wurden.
    Roland sagte dem Mädchen Daria gute Nacht und sah ihr nach, wie sie den Saal verließ. Er konnte nur hoffen, daß er mit seinem priesterlichen Spruch dem Mädchen für diese Nacht die Jungfernschaft erhalten hatte. Er legte sich in einer engen Zelle zwischen den Wohnräumen zum Schlaf nieder, wo er es einigermaßen warm hatte. Doch er hätte gewettet, daß man im Winter auf den feuchtkalten Steinen bis auf die Knochen durchgefroren würde.
    Dann war es 6 Uhr morgens. Roland hatte sich gewaschen und angekleidet und war hellwach. Lateinische Worte lagen ihm auf der Zunge. Schon als kleiner Junge war Roland ein Frühaufsteher gewesen. Nie war sein Geist schärfer, sein Witz treffender, sein Körper tüchtiger als am frühen Morgen. Rasch machte er sich auf den Weg in die bedrückende, feuchte Kapelle.
    Lang und schmal war die Kapelle auf Tyberton. Mehrere holzgeschnitzte Heilige in verschiedenen Stadien ihres grausigen Märtyrertods schmückten das Schiff. Im Inneren war es kalt und feucht. Roland spürte, wie der Morgennebel vom Fluß Wye durch die dicken grauen Steinwände drang. Er dachte an das, was er sich zum Ziel gesetzt hatte: Burg und Land in Cornwall wollte er kaufen. Die Burg war nur klein, aber gutgebaut, sicher, warm und gemütlich. Sobald er das Mädchen zu ihrem Onkel zurückgebracht und die zweite Hälfte der

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