Die Stimme des Daemons
Zack.
»Bist du etwa Unternehmer?«
»Ich bin plastischer Chirurg. Ich habe …« Er korrigierte sich: »Ich hatte eine Praxis in San Diego.«
»Brustvergrößerung und Botox?«
»Ja, hauptsächlich Schönheitsoperationen«, antwortete Zack achselzuckend, »aber ich war auch zwei Tage die Woche in einem Kinderkrankenhaus. Das war eine
echt ergreifende, aber auch erfüllende Arbeit.« Er hielt erneut inne. »Das vermisse ich wirklich.«
»Kannst du denn nicht zurückgehen?«, fragte Sam. »Wenn das alles vorbei ist, meine ich?«
Zack schüttelte den Kopf. »Dafür hat meine zweite Aufgabe gesorgt.«
»Was hast du denn getan?«, fragte Sam mit Mitgefühl und einem gewissen Schaudern.
Zack wischte sich die Hände an einer Papierserviette ab und tupfte sich etwas Sauce von den Mundwinkeln.
»Es war, glaube ich, einen Tag nachdem ich die roten Ampeln überfahren hatte«, erzählte Sam. »Ich hatte meine Praxis vernachlässigt, weil ich gerade alles verkaufte, was ich besaß, um Geld aufzutreiben, als er wieder anrief und meinte, ich hätte eine spezielle Kundin, die ich nicht enttäuschen dürfe …«
Zack zögerte einen Moment, und sein Gesichtsausdruck verriet, dass die Erinnerung noch schmerzlich frisch war.
»Sie war eine Stammkundin von mir, die ich über die Jahre schon mehrere Male behandelt hatte. Für uns war das schon fast Routine – als würde man hier und dort ein paar Schräubchen nachziehen. Sie spielte in verschiedenen Fernsehserien in New York mit. Eine wirklich schöne Frau … natürlich eitel, was ihr Äußeres betraf, aber unter dem Lack war da eine freundliche, verletzliche Persönlichkeit, die ich mochte.«
»Die du mochtest? «, fragte Sam misstrauisch.
Zack zuckte zusammen. »Die ich mag«, korrigierte er sich. »Sie lebt ja noch. So weit ging es doch nicht, dass er mich gezwungen hätte, sie umzubringen.«
»Was wollte er von dir?«
Zack atmete tief durch. »Ich sollte währender der OP ihr Gesicht entstellen und sie vergewaltigen.«
»Oh, Gott!«
»Meine Frau und meine Tochter wurden entführt«, fuhr Zack fort. »Ich hatte seit Tagen nicht mehr geschlafen, und dann sollte ich etwas tun, was ich aus tiefstem Herzen verabscheute.« Er sah Sam mit einem flehenden Gesichtsausdruck an. »Seit Kalli auf der Welt war, habe ich mich öfter gefragt, wie viel ich für meine Familie opfern würde. Ich stellte mir vor, dass ich mich notfalls vor einen angreifenden Elefanten werfen oder meinen Platz in einem Rettungsboot aufgeben würde, wenn die beiden dafür ein Schiffsunglück überleben konnten. Aber dieser Mann will keine Opfer. Er will nicht, dass wir Helden oder Märtyrer oder sonst irgendetwas Edles werden. Er will unsere Seelen zerstören – er will uns zu Monstern machen.«
Sam wusste nicht, was er sagen sollte. »Was hast du getan?«, fragte er schließlich.
Zack sah ihn zornig an. »Was denkst du denn?«
Sam blickte zur Seite; er wusste, dass er sich kein Urteil anmaßen konnte, und es grauste ihm jetzt schon vor dem, was vielleicht noch vor ihm lag.
Zack nahm Sam am Arm und zog ihn zu sich, bis sich ihre Gesichter fast berührten. Seine Stimme war kaum noch zu hören, sein Atem roch nach süßlichen Gewürzen.
»Ich habe es vorgetäuscht«, flüsterte er.
Sams Augen weiteten sich. »Wie?«
»In der Schönheitschirurgie geht es vor allem um
Präzision. Winzig kleine Schnitte, die mit absoluter Genauigkeit durchgeführt werden müssen. Wenn Gewebe und Muskeln es zulassen, können wir Wunder wirken. Wir können aber auch das genaue Gegenteil bewirken.«
»Ich verstehe nicht recht.«
»Kleine Schnitte unter die Haut, Muskeln werden vom subkutanen Fett und Bindegewebe getrennt – und das Ergebnis ist sofort sichtbar und ziemlich übel. So wie bei einem alten Mann, dessen Gesicht in sich zusammenfällt, wenn er die falschen Zähne herausnimmt. Man sieht aus, als hätte einen ein Lastwagen angefahren. Aber wenn kein bleibender Schaden angerichtet wird, wenn die Struktur darunter intakt bleibt, lässt es sich wieder reparieren. Wir sind eine kleine Gemeinschaft. Als sie ins Krankenhaus gebracht wurde, hat der Chirurg dort bestimmt erkannt, was ich getan habe, und gewusst, was er selbst zu tun hat.«
»Und die Vergewaltigung?«
Zacks Blick schweifte in die Ferne. »Es waren keine Kameras in meinem Operationsraum, da war ich mir sicher. Ich musste es also nur so aussehen lassen als ob, und alle würden die naheliegendste und gemeinste Schlussfolgerung ziehen. Schließlich
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