Die Stimme des Daemons
»Glaubst du, er stirbt?«
Hogan schüttelte den Kopf. »Der Typ hat einen Schädel wie ein Elch. Als sie ihn zum Röntgen brachten, hat er schon rumgemeckert, von wegen dem Geschäft, das ihm entgeht, solange er im Krankenhaus ist.«
»Dann frage ich noch einmal: Warum sind wir hier?«
Hogan grinste. »Komm mit.«
Er führte seinen Partner in ein Hinterzimmer, wo sich Kästen mit Wein und Spirituosen stapelten. Von dort gelangte man in ein kleines Büro, in dem sich
Schachteln mit allen möglichen Belegen türmten, weiter zu einer Toilette, die bestens geeignet gewesen wäre für eine Fortsetzung von Trainspotting , und schließlich in einen Abstellraum mit drei Videogeräten und drei 13-Zoll-Schwarzweißmonitoren.
Sein Kollege guckte ihm über die Schulter, als Hogan an allen drei Videogeräten die Play-Taste drückte. Während der Raubüberfall aus allen Perspektiven gezeigt wurde, drückte Hogan die Pause- und die Zoom-Taste am mittleren Gerät. Sams Gesicht füllte den Bildschirm aus. Seine Augen, im Zorn zusammengekniffen, blickten direkt in die Kamera.
»Na, da soll mich doch …«, murmelte Preston. »Warum zum Teufel raubt er jetzt einen Schnapsladen aus? Habe ich dir nicht gleich gesagt, dass der Kerl ein schräger Vogel ist?«
»Es wird aber noch schräger: Der Ladenbesitzer sagt, White hätte behauptet, dass seine Familie entführt wurde und dass er den Schnaps stehlen muss, um sie freizubekommen.«
»Diese verrückten Schauspieler«, murmelte Preston. »Irgendwann drehen sie alle durch.«
»Mag sein«, meinte Hogan. »Aber es würde immerhin erklären, warum er sich so eigenartig benimmt.«
»Das ist doch Quatsch«, erwiderte Preston barsch. »Entführer jagen dir nicht das Haus in die Luft, und sie hinterlassen vor allem keine zusätzlichen Leichen am Tatort.«
»Wie erklärst du dir dann die Sache?«, wollte Hogan wissen.
»Der Typ ist total durchgeknallt. Ganz einfach. Er
beschließt, seine Frau umzubringen und mit seiner Tochter nach L.A. zurückzugehen. Um seine Spuren zu verwischen, tauscht er seine Tochter gegen irgendein anderes Kind aus, bevor er das Haus in die Luft jagt.«
»Du meinst, wir sollten uns nach vermissten dunkelhäutigen Mädchen umsehen?«
»Oder nach geschändeten Gräbern«, fügte Preston hinzu. »Man braucht ja keinen lebenden Menschen, wenn man sowieso vorhat, ihn zu verbrennen.«
»Großer Gott! Du hast vielleicht eine makabre Fantasie.«
»Zeig mir einen Cop, der das nicht hat«, erwiderte Preston achselzuckend. »Und ich zeig dir seine Narben von der Lobotomie.«
36
Sam saß auf dem Bett im Hotelzimmer und starrte die beiden Flaschen an, die auf dem Tisch standen. Sie lockten ihn, in den süßen Zustand von Besinnungslosigkeit und Vergessen zu sinken.
Eine ähnliche Verheißung ging von einem kleinen Reißverschluss-Beutel in seiner Westentasche aus, in dem er immer noch ein halbes Dutzend blaue Pillen mit sich trug. Er wusste, dass ihn ein Cocktail aus beidem
in eine Welt abdriften ließ, in der es keine Probleme gab, doch um seiner Familie willen kämpfte er gegen den Drang an.
Zack war in einen Feinkostladen um die Ecke gegangen, und so war Sam allein mit seinen Gedanken und fragte sich immer wieder, ob er das, was er gerade getan hatte, jemals vor seiner Familie und vor sich selbst würde rechtfertigen können, wenn das alles vorbei war.
Zack stand vor dem Feinkostladen und drückte sein Handy ans Ohr.
»Der Mann im Spirituosenladen hat ihn erkannt. Warum?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete die verfremdete Stimme. »Vielleicht hat er den Werbespot im Fernsehen gesehen.«
»Quatsch. Ich will wissen, was für ein Spiel …«
»Vorsicht, Dr. Parker. Sie wollen mich sicher nicht wütend machen. Jasmine würde das gar nicht gut finden. Also, die entscheidende Frage ist – kann Sam sich an Sie erinnern?«
»Nein. Und es gäbe auch keinen Grund dafür. Wir haben damals kein Wort miteinander gesprochen …«
»Dann sorgen Sie dafür, dass es so bleibt.«
Das Handy klingelte, und Sam griff hastig danach.
»Gut gemacht, Mr. White«, sagte die elektronisch verfremdete Stimme. »Ich hätte zwar nicht erwartet, dass Sie als rechtschaffener Bürger eine solche Schweinerei anrichten, aber Sie hatten schon immer so eine
dunkle Seite an sich, nicht wahr? Das zeigt Ihr wahres Potenzial.«
»Potenzial wofür?«, fragte Sam argwöhnisch.
»Haben Sie sich schon Gedanken über das Geld gemacht?«
»Kann ich mit meiner Frau und meiner Tochter
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