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Die Stimme des Daemons

Die Stimme des Daemons

Titel: Die Stimme des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grant McKenzie
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Türme der Brückenwärter wie aus einem alten Märchen aus. Wenn man jedoch von der Straße kommt, ist die Brücke nicht mehr als ein schmaler Asphaltstreifen, der die beiden Hälften einer Stadt miteinander verbindet.
    Als er sich dem Mittelpunkt zwischen den beiden Türmen näherte, schaltete Sam die Warnblinkanlage ein und fuhr an den Straßenrand. Der kleine Jeep blockierte den Radweg und einen schmalen Streifen der Fahrbahn.

    Der Verkehr war nur schwach, doch einige ungeduldige Fahrer hupten trotzdem missbilligend, als sie vorbeifuhren.
    Sam hatte das Handy auf dem Armaturenbrett liegen. Er holte seine Zigarillodose hervor und nahm sich einen Zigarillo heraus, befeuchtete das Deckblatt und drehte die Spitze einen Zentimeter über der Flamme des Feuerzeugs, bis der Rand gleichmäßig glühte. Das Ritual, wiewohl unnötig, wirkte beruhigend auf ihn.
    Während er den stechenden Rauch ausblies, beobachtete Sam, wie der Brückenwärter in seiner verglasten Kabine in Aufregung geriet. Er gestikulierte wütend in Richtung des Jeeps, und als Sam ihn weiter ignorierte, griff er nach dem Telefon.
    In diesem Augenblick klingelte das Handy.
    »Wohin jetzt?«, fragte Sam.
    »Wir haben es wohl eilig?«, sagte die Stimme
    »Ich möchte meine Familie wiedersehen«, antwortete Sam kalt.
    »Bald«, sagte die Stimme. »Am Ostende der Brücke liegt unterhalb ein kleines Dorf. Dort werden Sie Davey-O treffen. Am Südende des Uferweges steht ein Lagerhaus. Der Zaun hat viele Lücken. Wenn ich euch beide drinnen im Hof sehe, rufe ich wieder an.«
    »Was soll …«
    Der Anrufer hatte schon wieder aufgelegt.
    Sam warf den halb gerauchten Zigarillo weg und fuhr los. Der Brückenwärter hob die Arme, in einer unmissverständlichen »Was soll der Scheiß?«-Geste . Sam ignorierte ihn.
    Am Ostende der Brücke bog Sam von der Hauptstraße
ab und fuhr auf kleineren Straßen zu einem Kiesplatz, der von einem löchrigen Maschendrahtzaun umgeben war.
    Im Gegensatz zur Westhälfte der Stadt, die Touristen und Bewohner in die Old Town, nach Chinatown und in den Waterfront Park lockte, wartete die Ostseite immer noch auf eine umfassende Erneuerung. Vorläufig ließen Spekulanten Grundstücke brachliegen und warteten auf den richtigen Moment, um einen satten Gewinn zu machen.
    Sam stellte den Jeep ab, stieg aus und trat ans Heck. Er öffnete die Hecktür und zog ein dünnes Stück schwarzen Gummi zur Seite, unter dem ein Riegel zutage trat, der mit einem schweren Vorhängeschloss gesichert war. Rasch stellte er die richtige Zahlenkombination ein und öffnete das Schloss. Er schob den Wagenheber und die Erste-Hilfe-Box beiseite und nahm einen kleinen Rucksack heraus, der eine schwarze Metalltaschenlampe mit einem schwachen, aber brauchbaren Lichtstrahl enthielt.
    Nach kurzem Zögern nahm Sam den Revolver aus der Westentasche und legte ihn neben einen kleinen schwarzen Werkzeugkasten, in dem er Bühnen-Makeup, Haarteile und falsche Zähne aufbewahrte. Hannah zog ihn oft damit auf und meinte, er sei schlimmer als eine Frau mit einer vollgestopften Handtasche. Aber die Ausrüstung hatte ihm schon zweimal zu einer kleinen Sprechrolle verholfen, als der Schauspieler, den der Regisseur eigentlich wollte, nicht rechtzeitig erreicht werden konnte.
    Sam schloss den Kofferraum, wickelte eine der Flaschen
in einen öligen Lappen, damit die Flaschen nicht aneinanderschlugen, und steckte schließlich beide in den Rucksack. Dann ging er mit der Taschenlampe in der Hand und dem Rucksack auf den Schultern zum Fluss zurück.

43
    Bei der Brücke stieg Sam eine lange Treppe hinunter. Die hölzernen Stufen waren glatt vom Abendnebel, und der metallene Handlauf war von Jahrzehnten der Benützung und vom Vogeldreck angegriffen.
    Unten angekommen, spähte Sam in die neblige Dunkelheit unter der Brücke. Als sich seine Augen an das schwache Licht gewöhnten, sah er die Gestalten, die hier hausten. Es waren Obdachlose, die kein Interesse hatten, in einem städtischen Heim zu wohnen, und die sich entweder nicht an die Spielregeln von Portlands stetig wachsender Zeltstadt namens Dignity Village halten wollten oder denen die zwölf Kilometer dorthin zu weit waren.
    Sam ging etwas näher heran, sein ganzer Körper war angespannt, und suchte die behelfsmäßigen Zelte und Papphütten nach einem Mann ab, den er nicht kannte. Ihn überraschte nicht nur die Zahl der Obdachlosen,
die sich hier unter der alten Brücke zusammendrängten, sondern auch ihre Zusammensetzung; da waren

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