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Die Stimme des Daemons

Die Stimme des Daemons

Titel: Die Stimme des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grant McKenzie
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jede Menge junge Leute mit wildem Blick und harten Gesichtern, alleinstehende Frauen und Männer, in deren Stimmen sich Zorn, Lachen, aber auch eine gewisse geistige Zerrüttung ausdrückte. Sogar ganze Familien sah man hier, denen man an den Gesichtern ablesen konnte, wie viel sie verloren hatten.
    Sam blieb wenige Meter vor dem Schatten der Brücke stehen, als ein bärtiger Mann, nicht viel größer als ein durchschnittlicher achtjähriger Junge, auf ihn zukam. Mit seinem staubbraunen Regenmantel, den er hinter sich herzog wie die Schleppe eines Hochzeitskleids, und seinen viel zu großen Cowboystiefeln sah er aus wie ein Hobbit, der irrtümlich aus J. R. R. Tolkiens Büchern in einen Wildwestroman von Zane Grey geraten war.
    Der Mann blieb dicht vor ihm stehen und blickte mit einer solchen Eindringlichkeit zu ihm auf, dass es Sam schwerfiel, nicht zu zucken.
    »Was willst du?«, fragte der Mann mit einem leisen Knurren.
    »Äh … ich suche jemanden … einen Mann.«
    »Davon gibt’s viele. Name?«
    »Davey-O.«
    Der Mann nickte, drehte sich um und blickte in die dunkleren Winkel des Lagers.
    »Zweite brennende Tonne«, sagte er schließlich. »Weiße Haare, grüner Mantel. Aber pass auf. Es sind schon Leute für weniger gestorben als das, was du bei dir hast.«

    Bevor Sam fragen konnte, was er damit meinte, verschwand der Mann in der tiefen dunklen Höhle der Brücke.
    Sam ging auf die Tonne zu, in der ein wärmendes Feuer prasselte. Zwei Männer und eine Frau mit Mopsnase standen um die Tonne herum und erzählten sich abenteuerliche Geschichten bei einer Flasche Wein ohne Etikett. Im flackernden Licht hatte der Wein die Farbe einer unreifen Zitrone – blassgelb mit einem Hauch von Grün.
    »Davey-O?«, fragte Sam.
    Ein Mann mit weißem Haar, der Rücken gebückt unter einem erbsengrünen Mantel, drehte sich langsam um. Mit seinen stahlgrauen Augen sah er Sam mit der gleichen Eindringlichkeit an wie der Wächter, doch dann verschwand die Härte aus seinem Blick, und sein Gesicht wirkte plötzlich jugendlicher, als man es bei seinem verlebten Äußeren vermutet hätte.
    »Ich kenne dich«, sagte Davey.
    »Wir müssen reden«, antwortete Sam mit einem unangenehmen Gefühl im Bauch. »Ich habe etwas für Sie, aber ich kann es Ihnen nicht hier geben.«
    »Sicher, sicher. Ich hole nur schnell meinen Sack.«
    Sam wartete, während Davey in einer notdürftig zusammengezimmerten Hütte aus Holzabfällen und Pappe verschwand, die von einem orange-grünen Fischernetz zusammengehalten wurde. Mit einem Rucksack aus blauem Jeansstoff kam er wieder hervor.
    Alles, was er besaß, war wahrscheinlich in diesem Rucksack, dachte Sam. Und zum ersten Mal in seinem Leben verstand er, was für ein Gefühl das war.

    Mit großer Anstrengung schwang sich Davey den schweren Rucksack auf die Schultern und folgte Sam flussabwärts, weg vom Schutz der Brücke, weg von neugierigen Blicken.
    »Du bist Sam.«
    »Sie haben mich erwartet?«, fragte Sam überrascht.
    »Nein, aber ich kann mich an dich erinnern.«
    Sam blieb stehen. »An mich?«
    »Ja, ja. Diese ganzen Theaterstücke, Mann. Sie waren wirklich cool.«
    Sam ging weiter. »Ich habe seit der Highschool nicht mehr in einem Theaterstück gespielt.«
    »Das ist aber schade«, meinte Davey. »Du warst gut. Mir hat besonders das eine gefallen, wo du mit den Hexen getanzt hast und wir diese schwarzen Lichter und die Nebelmaschinen eingesetzt haben.«
    Sam blieb erneut stehen. »Das war Dark of the Moon . Ich spielte den Witch Boy .« Sam überlegte einen Augenblick. »Das war in der zwölften Klasse.«
    »Ja, das war cool. Ich habe die ganze Beleuchtung gemacht.«
    Sam sah den weißhaarigen Mann an, und es begann ihm zu dämmern, wen er vor sich hatte. »David O’Donnell?«, fragte er schließlich.
    Davey zuckte zusammen. »Ja, das bin ich, aber diesen Namen brauche ich nicht mehr. Davey genügt, oder Davey-O, okay?«
    »Gott, ich habe dich gar nicht erkannt. Wir waren damals viel zusammen.«
    »Sicher, sicher.« Davey grinste und zupfte an seinen Haaren. »Ich hatte ein paarmal Pech. Der Mensch hält
eben nicht alles aus, verstehst du? Irgendwann kannst du nicht mehr.«
    Sam sah sich um, erblickte das Lagerhaus und verließ den Weg, um durch das hohe Gras darauf zuzugehen. Davey folgte ihm, und das wuchernde Unkraut streifte seine Knie.
    »Hast du mal wieder jemanden von der alten Bande getroffen?«, fragte Davey.
    »Nein. Nach der Highschool bin ich aus der Stadt weggezogen. Ich bin

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