Die Stimme des Daemons
guckte über Sams Schulter. »D-d-das ist gegen die Vorschrift«, stammelte er. »Er könnte gefeuert werden.«
Sam beugte sich zur Bank hinunter und nahm Harrys Halfter und seinen Schlüsselbund an sich. Dann wandte er sich mit einem Seufzer seinem Partner zu. »Ich brauche auch deine Waffe und die Schlüssel, Ken.«
»W-was? Warum?«
»Das ist schwierig zu erklären. Gib sie mir einfach.«
Ken wurde ganz starr und zog die Schultern zurück. »Das geht nicht. Du hast selbst gesagt, dass wir die Waffe nie aus der Hand geben dürfen.«
»Ich habe dir auch gesagt, dass du nie etwas Dummes tun sollst. Also, vertrau mir und gib sie mir.«
Kens Augen sprangen nach links und rechts, und seine Unterlippe zitterte. »Ich kann das nicht machen, Sam. Es ist mein Job …«
Sam zog seinen Revolver aus der Tasche und setzte ihn seinem Kollegen an die Stirn. Der junge Wächter zuckte zusammen, als er den Stahl auf der Haut spürte.
»Es tut mir leid, Ken, aber ich muss das tun.«
»M-mein Gott, Sam«, stotterte Ken. »Wir … wir sind doch Freunde.«
»Darum sage ich es ja ganz freundlich, Ken. Ich will, dass du das hier überlebst.«
Ken schluckte. »Dass ich … überlebe?«
»Du musst mit Harry hier drinbleiben und darfst nicht Alarm schlagen, bis die Tagschicht kommt. Hast du verstanden?«
Ken schüttelte den Kopf.
»Doch, du verstehst es, Ken. Bleib locker und atme ein paarmal durch. Such dir was zu lesen oder mach ein Schläfchen. Es sieht vielleicht im Moment nicht so aus – aber ich sage dir das alles als Freund.«
Ken schniefte. »Ich habe dir vertraut, Sam.«
»Vertrau mir weiter, dann gehst du morgen früh gesund nach Hause.«
Ken ließ die Schultern sinken und schnallte das Halfter ab, um es zusammen mit seinem Schlüsselbund und der Magnetkarte abzugeben.
»Dafür werden sie mich feuern.«
»Das wäre vielleicht gar nicht so schlecht«, meinte Sam. »Das gibt dir die Möglichkeit, etwas zu finden, was du wirklich gern machst.«
»Das funktioniert aber nicht immer, nicht wahr?«, murmelte Ken vielsagend.
Sam hörte ihn nicht mehr, als er hinausging und die Tür abschloss.
73
Sam stieg rasch die Treppe zum Security-Raum im ersten Stock hinauf. Während der Tagschicht drehten drei Sicherheitsleute ihre Runden in dem belebten Einkaufszentrum, während ein vierter Mann die Monitore beobachtete. In der Nacht, wenn die Geschäfte geschlossen waren, stand der Security-Raum leer.
Sam öffnete die Tür mit Kens Schlüssel und schaltete rasch alle Außen- und Innenkameras sowie die Alarmanlage aus. Als er nach etwa fünf Minuten sicher war, dass er an alles gedacht hatte, verließ er den Raum und eilte die Treppe hinunter.
Als er die Ladetore öffnete, waren bereits zwei Sattelschlepper herangefahren, die mit geöffneten Hecktüren an der Laderampe standen. Ein muskulöser dunkelhäutiger Mann trat zu ihm.
»Bist du Sam?« Seine Stimme klang wie Kieselsteine, die auf eine Blechdose fallen.
Sam nickte.
»Wir sind die erste Mannschaft«, erläuterte er. »Hast du die Schlüssel?«
Sam hielt eine elektronische Schlüsselkarte hoch. »Mit dieser Karte kommt man in jedes Geschäft rein. Ist der Security-Generalschlüssel.«
Der Mann nahm sie Sam aus der Hand. »Echt cool. Und sonst ist alles so weit?«
»Alle Kameras sind ausgeschaltet, die Alarmanlage
genauso, und die Wächter sind außer Gefecht. Ihr habt sechs Stunden, bis die Tagschicht kommt.«
Der Mann grinste. »Das is’ Zeit genug. Wenn du was als Souvenir haben willst – kein Problem, greif zu. Ein schöner Fernseher vielleicht? Ein schicker Anzug?«
Sam klopfte auf seinen Aktenkoffer. »Ich habe, was ich wollte.«
Der Mann wandte sich den Sattelschleppern zu und winkte mit dem Arm. Zehn Riesen in Muscle-Shirts und weiten Hosen traten aus der Dunkelheit hervor und verschwanden im Einkaufszentrum.
74
Sam trat leise in das Hotelzimmer ein. Zack war angezogen auf dem Bett eingeschlafen, die Arme über dem Bauch verschränkt. Seine Atmung war so flach, dass sich sein Brustkorb kaum bewegte, und im Schlaf sah er so zerbrechlich aus wie ein Spatz.
Sam trat an sein Bett, um ihn zu wecken, doch Zacks Augen waren schon offen. Er starrte Sam an und blinzelte, als würde er ihn gar nicht erkennen.
»Jedes Mal, wenn ich die Augen zumache«, sagte er wie aus weiter Ferne, »sehe ich Jasmine und Kalli.«
Sam wusste nicht, was er sagen sollte.
Zack rieb sich das Gesicht mit den Händen, als er sich aufsetzte und die Füße vom Bett schwang. Er
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