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Die Stimme des Daemons

Die Stimme des Daemons

Titel: Die Stimme des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grant McKenzie
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verfremdete Stimme jagte Sam einen kalten Schauer über den Rücken und verursachte ihm eine Gänsehaut, trotz des warmen Wasserdampfes, der vom Waschbecken aufstieg.
    »Ja.« Sam dachte an die Nachricht auf dem Fernseher. »Ich besorge heute Nacht den Rest, der noch fehlt.«
    »Sehr gut. Ich habe an Sie geglaubt, auch als Sie selbst an sich gezweifelt haben.«
    »Kann ich mit meiner Frau und meiner Tochter sprechen?«

    »Sie haben Angst, Sam. Sie mögen die Dunkelheit nicht.«
    Sam unterdrückte seinen Zorn. »Ich muss wissen, dass sie leben.«
    »Bald ist es so weit. Sie haben es fast geschafft.«
    »Bitte, tun Sie ihnen nichts«, flehte er.
    »Das hängt nicht von mir ab«, erwiderte die Stimme. »Ihr Schicksal liegt ganz in Ihren Händen.«

69
    Der Beobachter blickte auf die verängstigte Frau hinunter, die da in der Dunkelheit kauerte, mit nichts als einer mottenzerfressenen Decke, um sich zu wärmen.
    Der Stoff des Armeefeldbetts war am Fußende schon halb verrottet, sodass sie darauf verzichtete, die Beine auszustrecken. Sie sollte dankbar sein, dass der Stahlrahmen es ihr ersparte, auf dem feuchten Boden liegen zu müssen, der auch noch das letzte bisschen Wärme aus ihrem zitternden Körper gezogen hätte.
    Gewiss, wenn man sich hier umsah, wäre man nicht auf den Gedanken gekommen, dass ihm etwas an ihr lag. Aber er wusste auch, dass man mit Härte am schnellsten erreichte, was man wollte.
    Die Frau sah jetzt nicht mehr so schön aus. Die
Flecken auf Gesicht und Armen hatten sich hässlich verfärbt, und ihr Haar war wirr und zerzaust. Wenn sie sich im Spiegel hätte sehen können, wäre sie wahrscheinlich ziemlich erschrocken. Aber es gab hier keine Spiegel, nur ihn. Er würde mit der Zeit ihr Ein und Alles werden – ihr Retter, ihr Prinz auf einem weißen Hengst.
    Zum Glück hatte er seine Fantasie und die Fotos, die er heimlich von ihr machte und an ihre Zellenwand hängte, um sie daran zu erinnern, dass er nie aufhörte, sie zu beobachten. Wenn sie einmal ganz ihm gehörte, würde er schon dafür sorgen, dass sie genau so aussah, wie er es sich erträumte.
    Ihr Körper und ihr Gesicht ließen sich leicht wiederherstellen; mit ein bisschen Essen würden auch die Kurven und Rundungen zurückkehren, ein langes Bad würde ihrer Haut neuen Glanz verleihen, und natürlich brauchte es auch ein bisschen Zeit, bis die Wunden verheilt waren. Das Schwierigere war, die Herrschaft über ihr Denken und Fühlen zu gewinnen, aber er war fast schon dort, wo er hinwollte.
    Er schloss die Zellentür hinter sich und trat näher heran. Sie sah zu ihm auf, und er erwiderte ihren Blick mit viel Wärme. In diesen rot geränderten Augen sah er immer noch die Furcht vor dem Mann, der sie aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen hatte. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die Angst in völlige Hingabe verwandelte.
    Sie war jetzt schon bereit, fast alles zu tun, was er von ihr wollte. Jetzt musste er nur noch erreichen, dass sie es auch selbst wollte.

    Der Beobachter streichelte der Frau übers Haar und drückte ihren Kopf sanft an seinen Oberschenkel. Sie begann wieder zu weinen, hörte aber gleich wieder auf, als er ihr mit zärtlichen Lauten zuredete und den Griff um ihren Hals verstärkte.
    »Und jetzt«, flüsterte er ihr zu, »sag mir noch mal, warum du mich so liebst.«

70
    Die dunkelhaarige Frau redete dem schlafenden Mädchen besänftigend zu und wiegte sie sanft in ihrem Schoß.
    Sie fühlte sich so müde. Der Schmerz in den Rippen und der Mangel an Nahrung, Wasser und Licht machte jede Bewegung qualvoll. In der Dunkelheit verlor man jedes Zeitgefühl; es schien für ihre Existenz auch nicht mehr wichtig zu sein, wie viele Tage oder Stunden schon vergangen waren.
    Wenn MaryAnn aufwachte, würde die Frau ihr zeigen, wie man die Muskeln dehnen und die Atmung kontrollieren und wie man sich mit Yoga ohne großen Aufwand seine innere Kraft bewahren konnte.
    Sie machte sich keine Sorgen um sich selbst. Sie hatte keine Angst vor dem Tod. Wäre sie allein gewesen,
hätte sie vielleicht einen Weg gesucht, um es zu beenden, aber so musste sie dafür sorgen, dass das Kind stark blieb.
    Die Flamme der Wut brannte in ihr und flüsterte ihr zu, dass sich irgendeine Gelegenheit bieten würde, eine kleine Unachtsamkeit, ein Fehler, den man ausnützen konnte. Dann musste das Mädchen imstande sein, wegzulaufen. Sie konnte den Mann noch einmal angreifen, ihn überraschen und verletzen, wie sie es schon einmal getan hatte, und

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