Die Stimme des Daemons
fahren zuerst einmal zum Spirituosenladen in der 10th Avenue.«
Preston grinste. »Brauchst du so früh schon einen Drink? Ich bin doch der, der die ganze Arbeit macht.«
Hogan runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich muss mit einem Wikinger über einen Arzt sprechen.«
84
Der Wächter trat mit einem Kunststofftablett in die Zelle. Die Frau und das Mädchen folgten ihm mit ihren Blicken; sie wollten nicht riskieren, ihn mit irgendwelchen abrupten Bewegungen zu reizen.
Die Frau hatte am eigenen Leib erfahren müssen, wie wütend er wurde, wenn man sich ihm entgegenstellte oder ihn angriff. Ein geschwollenes Auge und heftige Schmerzen in der Wange, dem Kiefer und den Rippen erinnerten sie ständig an seine brutale Reaktion.
»Haben Sie uns etwas zu essen gebracht?« Ihre Aussprache war etwas undeutlich, weil sie wegen der Schmerzen den Mund nicht zu sehr bewegen konnte.
Der Wächter ignorierte die Frage.
»Wir könnten wirklich mehr Wasser brauchen«, fuhr sie fort. »Sie haben beim letzten Mal nur eine
Flasche gebracht, und MaryAnn und ich sind sehr durstig.«
Der Wächter stellte das Tablett bei der Tür auf den Boden. Er wich ihren Blicken aus.
»Haben Sie Kinder?«, fragte sie.
Der Wächter schickte sich an, hinauszugehen, und die Frau schwang die Beine vom Bett herunter. Ihre Shorts rutschten die kaffeebraunen Schenkel hoch. In dem schwachen Licht sahen ihre Beine immer noch gut aus, trotz der Schnitte und blauen Flecken, dem Schmutz und den Härchen, die mittlerweile nachgewachsen waren.
Er blieb stehen und leckte sich mit der Zunge über die Lippen.
»Warum brauchen Sie uns beide?«, fragte sie leise. »Sie könnten doch MaryAnn gehen lassen. Ich bleibe hier und mache keinen Ärger, wenn Sie sie freilassen. Dann wäre es auch irgendwie … intimer … wenn wir zwei unter uns wären.«
Ein leiser Laut des Protests kam aus MaryAnns Kehle. Die Frau nahm ihre Hand, die auf der Decke lag, und drückte sie fest.
Der Wächter schüttelte den Kopf und ging hinaus.
Als die Frau den schweren Riegel einschnappen hörte, ließ sie den Kopf in beide Hände sinken, während MaryAnn vom Bett aufsprang, um nachzusehen, was auf dem Tablett war.
Es war kaum genug, dass eine von ihnen satt geworden wäre.
85
»Wer zum Teufel ist Alan Robertson«, fragte Sam, als Zack auf den einzigen Namen in dem Programmheft zeigte, der ihm etwas sagte.
»Er gehörte zum Computerclub«, antwortete Zack. »Er war in Wahrheit das Gehirn der Gruppe. Alan konnte in Binärcode denken.«
Sam wandte sich Davey zu. »Erinnerst du dich an ihn?«
»Ja, ja.« Davey kratzte sich aufgeregt am Kopf, und seine Schuppen schimmerten im Licht der Lampe. »Er kam erst in der zwölften Klasse zu uns ins Team.«
»Da war ich aber schon fertig«, warf Zack ein. »Alan und ein paar andere im Club waren jünger als ich. Er hat aber nie erwähnt, dass er sich auch fürs Theater interessiert.«
Davey warf Zack einen verärgerten Blick zu.
»Er war ganz nett«, fuhr Davey fort, um wieder im Mittelpunkt zu stehen. »Ein bisschen zu … nervös vielleicht für die Bühne. Er war sehr genau, hat immer den exakten Winkel berechnet. Ich habe die verdammten Lichter einfach dorthin gerichtet, wo es gut aussah. Ich kann mich erinnern, dass er einmal zwei Außenseiter angeheuert hat, ihm zu helfen, als er einen Minispot in Position bringen wollte. Erinnerst du dich vielleicht an die Szene, Sam, wo du den Ring hochhältst, als Barbara Allen stirbt?«
Sam nickte. »Du hast ihn violett leuchten lassen.«
»Ja, genau«, schwärmte Davey. »Die zwei Typen halfen mir, die richtige Position für die Lichter zu finden. Es war nicht einfach, aber Mann, hat das cool ausgesehen, vor allem als dann noch der Trockeneisnebel dazukam.«
»Irgendeine Ahnung, wo Alan jetzt ist?«
»Ich weiß es«, sagte Zack. »Er hat eine kleine Softwarefirma hier in Portland.«
»Könnte er der Entführer sein?«
Zack zuckte die Achseln. »Es gibt jedenfalls einen Bezug zu uns beiden, außerdem kannte er Davey. Als Computerfreak gehörte er zu den bevorzugten Opfern von Ironman, also hat Alan ihn sicher gehasst. Er ist auf seinem Gebiet ein Genie, was ihn ein bisschen zu einem Sonderling macht, aber ich hatte nie das Gefühl, dass er von seiner Persönlichkeit her so labil ist oder dass er einen so tiefen Groll gegen jemanden hegt.«
Sam griff in seine Westentasche und spürte das kalte Metall des Revolvers. Er sah Davey an.
»Was meinst du dazu?«
»Verdammt, Mann, ich sehe
Weitere Kostenlose Bücher