Die Stimme des Feuers
fürchtete keinesfalls, daß Graelam den Unterschied bemerken würde. Wenn in ihm der Verdacht aufkommen sollte, daß ihre Schmerzensschreie gespielt waren, dann hatte sie immer noch ein Fläschchen mit Hühnerblut zur Hand. Sie würde damit ihre Schenkel beschmieren.
Blanche ritt neben Sir Guy. Sie wünschte, sie könnte ihm sein Messer entreißen und es Joanna in den Rücken schleudern. Ihr war völlig klar, daß ihre Intrigen in den letzten beiden Wochen fehlgeschlagen waren, obwohl Graelam ihr zuweilen wegen ihres sanften Wesens einen anerkennenden Blick zugeworfen hatte. Aber das reichte nicht. Ihr blieb nur noch eine Möglichkeit. Ihre Augen glänzten entschlossen.
Sir Guy lenkte seinen Zelter näher an ihre Stute heran. »Darf ich Euch nach Euren... Zukunftsplänen fragen?«
Blanche schenkte ihm ein verwirrendes Lächeln. »Für einen ... Knaben zeigt Ihr großes Interesse an Dingen, die Euch nichts angehen.«
»Und für eine ältere Frau«, erwiderte Guy ungerührt, »zeigt Ihr zu großes Interesse an meinem Lord. Ich sage Euch, Blanche, Ihr habt verloren. Ihr solltet Euch mit der Niederlage abfinden. Graelam wird Euch auch einen Ehemann verschaffen.«
»Ihr seid ein Dummkopf«, sagte Blanche.
»Der Dummkopf seid Ihr, Mylady«, sagte Guy im freundlicheren Ton, denn er ahnte ihre Sorgen. »Lord Graelam ist ein Ehrenmann. Er hat in die Hochzeit eingewilligt. Und er wird sein Wort nicht brechen.«
Ja, dachte Blanche. Gerade die Tatsache, daß Graelam ein Ehrenmann war, wollte sie zu ihrem Vorteil ausnutzen.
Unter gesenkten Wimpern schaute Blanche Lord Thomas, Joannas Vater, an. Wenn dieser dumme alte Mann doch nur seine knochigen Hände bei sich behielte! Sie hätte ihm liebend gern auf die Hand geschlagen und ihm gesagt, was er für ein alter Knacker war! Aber sie hielt still und wandte den Blick den Akrobaten zu, die im großen Saal ihre Kunststücke vorführten. Dann beobachtete sie Graelam. Wenigstens schenkte er seiner Braut keinerlei Beachtung. Er trank nur Wein und unterhielt sich mit dem Herzog von Cornwall.
Joanna hatte die Lippen unwillig zusammengekniffen. Das ließ Blanches Stimmung steigen. Sie weiß, daß Graelam sie nicht haben will, dachte Blanche und bedeutete einer Bedienerin, Graelams Kelch wieder zu füllen. Dann spürte sie, wie Lord Thomas' knochige Hand weiter an ihrem Oberschenkel hinaufwanderte. Seine Frau, Lady Eleanor, unterhielt sich wohlgemut mit Sir Guy und bemerkte nichts von ihres Mannes lüsternem Treiben. Energisch rückte Blanche von ihm ab.
Und dann endlich war es so weit. Blanche vollführte einen anmutigen Knicks und entfernte sich aus dem Saal.
Sie wartete im Dunkel ihres Kämmerchens. Es kam ihr wie Stunden vor. Sie fing an zu schwitzen, stand schnell vom Bett auf und legte feuchte Tücher unter die Armbeugen. Einen Augenblick betrachtete sie sich in dem polierten Silberspiegel. Sie besaß einen üppigen Körper mit großen Brüsten und vollen, wohlgerundeten Hüften. Auf dem Bauch hatte sie noch schwache Geburtsfalten, aber bei Kerzenlicht würde er sie nicht bemerken. Sie schlüpfte in ein dünnes Hemd aus reiner Seide, brachte ihre Frisur in Ordnung, ging leise zur Tür und öffnete sie. Endlich war alles still.
Mit der Kerze in der Hand eilte sie zu Graelams Zimmer. Leise entriegelte sie die Tür und schlüpfte hinein. Sie hörte ihn schnarchen und lächelte. Er hatte eine Menge Wein getrunken. Wahrscheinlich würde er erst wach werden, wenn es zu spät war. Und wie Sir Guy betont hatte, war Graelam ein Ehrenmann. Wenn er eine unverheiratete Lady zu sich ins Bett nahm, würde er sie auch später heiraten. Warum nur hatte sie nicht schon eher daran gedacht? Ich bin nicht feige, sagte sie sich. Ich tue jetzt, was ich tun muß!
Leise ging sie zu seinem breiten Bett, hielt die Kerze hoch und schaute ihn eine Weile an. Er lag nackt auf der Bettdecke, denn die Nacht war warm. Selbst im tiefen Schlaf zeichneten sich die kräftigen Bauchmuskeln deutlich ab. Darunter gewahrte sie eine gezackte Narbe, die vom Oberschenkel bis fast an die Leiste verlief. Weich und schlaff hing seine Männlichkeit aus der dichten Matte der Haare. Es drängte sie, sie anzufassen, zu streicheln und zum Leben zu erwecken.
Blanche stellte die Kerze auf den kleinen Nachttisch. Langsam und lautlos zog sie sich das Hemd über den Kopf. Plötzlich fuhr ein Windstoß durch das kleine Fenster, die Kerze flackerte und erlosch. Blanche legte sich ins Bett und drängte ihren Körper an seinen.
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