Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Stimme des Feuers

Titel: Die Stimme des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
und nicht Geoffrey. Er weigerte sich lange. Aber ich redete ihm ins Gewissen, bis er schließlich einwilligte. Am nächsten Morgen verließ er die Burg, um mit dem Ehevertrag zum Herzog der Bretagne zu reiten. Der Herzog genehmigte die Ehe, und Graelam kehrte auf meinen Wunsch nach Cornwall zurück.«
    Völlig verblüfft starrte Kassia ihren Vater an. Verheiratet! Sie war mit einem Mann verheiratet, den sie nie gesehen hatte! Benommen hörte sie sich fragen: »Warum erzählst du mir das erst jetzt, Vater?«
    »Ich wollte dich nicht beunruhigen, solange du noch so schwach warst.«
    »Doch jetzt hast du es mir erzählt. Was ist geschehen?«
    »Der Bote, der heute hier war, kam von Lord Graelam. Er teilte mir mit, daß sein Herr im Begriff sei, eine englische Erbin zu heiraten.«
    »Ich verstehe«, sagte Kassia. Der Schock war ihr in die Knie gefahren. Verheiratet, dachte sie, mit einem englischen Lord!
    »Das ist noch nicht alles, Kassia. Den ersten Boten hatte mir der Herzog der Bretagne geschickt. Offenbar hat Geoffrey erfahren, daß du noch immer auf Belleterre lebst, also nicht mit deinem Ehemann nach England gegangen bist. Er hat versucht, den Herzog davon zu überzeugen, daß es nur eine Scheinhochzeit gewesen wäre, eine List von mir, um dich und Belleterre vor seinem Zugriff zu bewahren. Der Herzog verlangt eine Erklärung von mir. Er droht mir, falls die Erklärung nicht zufriedenstellend ausfalle, werde er die Ehe annullieren und dich Geoffrey zur Frau geben.«
    »Ist dieser englische Lord, dieser Graelam de Moreton, stark genug, um Belleterre vor Geoffrey zu retten?«
    »Ja«, sagte Maurice und sah seine Tochter fürsorglich an.
    Während Kassia über die Worte ihres Vaters nachsann, dachte sie: es ist merkwürdig, aber ich fühle mich jetzt als die Stärkere von uns beiden. Sie liebte ihren Vater über alles, mehr als sich selbst. Und sie liebte Belleterre. Sie dachte an Geoffrey, den verschlagenen, habgierigen Geoffrey, und bei dem Gedanken, er würde ihr Ehemann werden, durchlief sie ein Schauder. »Jetzt verstehe ich, Vater«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich mache dir keinen Vorwurf. Du konntest wohl nicht anders handeln. Also gräme dich auch nicht mehr!«
    Sie stand von seinem Schoß auf. »Ich muß jetzt Vorbereitungen treffen, Vater. Ich werde nämlich mit dem Boten nach England gehen, zu meinem ... Gatten. Es wäre nicht gut für ihn, wenn er eine zweite Ehe schlösse.«
    Maurice starrte sie offenen Mundes an. Er hatte in Erinnerung an die vielen Tränen ihrer Mutter erwartet, daß sie ebenfalls in Tränen ausbrechen würde.
    »Außerdem meine ich«, fuhr Kassia nachdenklich fort, »daß du dem Herzog der Bretagne einen Besuch abstatten solltest. Du könntest ihm sagen, daß ich krank geworden bin und deshalb nicht in der Lage war, meinen Ehemann nach England zu begleiten. Und, Vater, mach dir keine Sorgen um mich! Irgendwann hätte ich ohnehin heiraten müssen, und wenn du Lord Graelam für einen guten Mann hältst, bin ich beruhigt. Ich wünschte nur, er wäre Franzose und lebte in unserer Gegend. Belleterre wird mir fehlen.«
    »Cornwall ist ja nicht weit entfernt«, sagte Maurice hilflos. Denn plötzlich war ihm zu Bewußtsein gekommen, daß er Graelam wahrhaftig nicht gut kannte. Wie würde er mit einer Ehefrau umgehen, von der er angenommen hatte, daß sie wenige Stunden nach der Trauung verstorben war? Kassia war so unschuldig und so blutjung. Bisher hatte er, Maurice, sie beschützt und über sie gewacht, hatte ihr nur Milde und Freundlichkeit gezeigt. Mit einem plötzlichen Entschluß stand er auf. »Kassia, ich begleite dich nach Cornwall.«
    »Nein, Vater. Du mußt Belleterre vor Geoffreys gierigen Händen bewahren. Du mußt den Herzog der Bretagne aufsuchen.«
    Maurice erhob Einspruch, aber Kassia wußte nur zu gut, daß ihm keine andere Wahl blieb. Sie versuchte, sich diesen Lord Graelam vorzustellen. Wahrscheinlich war er ihrem Vater sehr ähnlich. Angstvoll fragte sie: »Ist er schon alt?«
    »Graelam? Nein, er ist jung und wohlgestaltet.«
    »Ein freundlicher Mann, Vater? Sanft und verständnisvoll?«
    »Ich glaube ja, Kassia.«
    Da lächelte sie. Jung und wohlgestaltet - und so freundlich wie ihr Vater. Alles würde gut werden.
    »Graelam schenkte dir zur Hochzeit einen Ring. Ich habe ihn für dich aufbewahrt.«
    »Das war klug von dir gehandelt. Ich sehe heute vermutlich anders aus als in meiner Hochzeitsnacht.«
    Danach ließ Kassia ihren Vater allein und eilte in ihr Zimmer.

Weitere Kostenlose Bücher