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Die Stimme des Feuers

Titel: Die Stimme des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Absitzen behilflich zu sein. Dann sah er sie lange forschend an.
    Er versucht, sich zu erinnern, wer ich bin, dachte Kassia.
    »Lady Kassia«, sagte er, mehr als Frage denn als Feststellung.
    »Ja, Mylord.« Er hatte tiefblaue Augen, freundliche, lachende Augen. Das nahm ihr die anfängliche Beklemmung.
    »Ihr kommt ziemlich ... überraschend, Mylady. Wir dachten, Ihr wärt....«
    »Tot? Nein, Mylord. Ich bin nicht gestorben. Es freut mich, daß mein Kommen Euch nicht zu verdrießen scheint. Aber ich konnte doch nicht zulassen, daß Ihr Euch vermählt, wenn Eure angetraute Ehefrau noch lebt.«
    »Ihr seid einem Irrtum erlegen, Mylady. Ich bin nicht Euer Gatte. Ich bin Sir Guy de Blasis, einer von Lord Graelams Rittern. Mylady, ich stehe Euch zu Diensten.«
    Kassia schwankte, und Guy nahm schnell ihren Arm, um zu verhindern, daß sie fiel. »Ihr habt keinen Grund zu Befürchtungen, Mylady«, sagte Guy freundlich. »Lord Graelam ist zugegen, und er hat noch nicht geheiratet. Ihr habt den Zeitpunkt wirklich trefflich abgepaßt. Die Hochzeit ist für morgen angesetzt.« Während er diese Worte sprach, kam ihm die Ungeheuerlichkeit der Lage erst so recht zu Bewußtsein. Arme Joanna! Arme Blanche! Er wechselte einige Worte mit einem von Lord Graelams Männern und deutete dann auf Stephen. »Man wird sich Eurer Männer annehmen, Mylady. Und nun wird es Zeit, daß ich Euch Eurem Gatten vorstelle.«
    Selbst durch den Mantel fühlte sie die Wärme seiner Hand. Aber ihr selber war kalt, eisig kalt bis auf die Knochen. Nur mühsam gehorchten ihr die Beine. Sie trat in den steinernen Saal und ließ sich von Guy bis zum anderen Ende führen. Dort fiel ihr Blick auf den Mann, der auf einem geschnitzten, hochlehnigen Sessel saß. Neben ihm saß auf einem kleineren Sessel eine junge Frau mit weißblondem Haar. Mindestens fünfzig Männer und Frauen, viele in kostbaren Gewändern, standen herum. Plötzlich merkte sie, daß alle Gespräche verstummten. Der Mann war so schwarzhaarig, wie Guy blond war. Selbst im Sitzen wirkte er sehr groß, und seine Miene war streng, ja, abstoßend. O nein, nein, dachte sie verzweifelt. Nicht dieser Mann!
    »Mylord«, sagte Guy mit lauter Stimme, »darf ich den Gästen Eure Gattin, Lady Kassia de ... Moreton, vorstellen?«
    Die junge Frau neben Graelam stieß einen lauten Schrei aus und sprang auf. Lord Graelam sah Kassia nur an. Sein Gesicht verriet nichts.
    Plötzlich redeten alle wild durcheinander, alle mit großem Stimmaufwand, alle voller Empörung. Wie durch einen Schleier sah Kassia, daß ein älterer, kostbar gewandeter Mann auf sie zukam.
    Es dauerte eine Weile, bis Graelam völlig begriff, was Guy gesagt hatte. Er blickte das schlanke Mädchen an, das vom Hals bis zu den Füßen in einem staubigen Mantel steckte. Er sah, wie die kurzen Locken ihr zartes Gesicht umrahmten. Langsam erhob er sich von dem Sessel, ohne daß er den Blick von ihrem Gesicht nahm.
    Es war nur das kurze kastanienbraune Lockenhaar, das ihn überzeugte, wirklich Kassia de Lorris vor sich zu sehen. Denn sonst vermochte er in diesem Mädchen nicht die Sterbende von Belleterre wiederzuerkennen.
    Plötzlich konnte er nicht mehr anders, er warf den Kopf zurück und brach in dröhnendes Lachen aus.
    Offenen Mundes starrte Kassia den großen Mann an, dessen Gelächter seinen ganzen Körper zucken ließ. Zur gleichen Zeit spürte sie, wie die Leute rings umher sie feindselig und mit deutlichem Unglauben anblickten.
    »Ich trage Euren Ring, Mylord«, sagte sie mit lauter, klarer Stimme. Sie streifte ihn vom Finger und hielt ihn Graelam hin.
    Er hörte auf zu lachen und schaute auf seinen Ring, den sie innen mit Roßhaar ausgestopft hatte, damit er auf ihrem schlanken Finger hielt. Er hörte Lord Thomas wie ein verrücktes Waschweib in zeterndem Ton fragen, was diese Unverschämtheit zu bedeuten habe. Er hörte, wie Joanna das Mädchen mit Beleidigungen überhäufte. Oder war es Blanche? Er wußte es nicht. Eine andere Frau, wahrscheinlich Joannas Mutter, weinte und jammerte durchdringend.
    Der Herzog von Cornwall trat vor. Mit beängstigender Ruhe fragte er: »Graelam, könnt Ihr mir vielleicht sagen, was dies alles zu bedeuten hat? Wer ist dieses Mädchen?«
    Graelam achtete nicht auf ihn. Er trat nahe an Kassia heran, umfaßte ihr Kinn und hob ihr Gesicht zu sich auf.
    Kassia sah, wie seine dunklen Augen sie forschend ansahen. Warum sagte er denn nichts?
    »Mylord«, rief Joanna, »ich gestatte es nicht, daß Ihr Eure Hure

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