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Die Stimme des Feuers

Titel: Die Stimme des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Dann rief sie nach Etta. »Stell dir vor, ich bin verheiratet und wußte es gar nicht! Etta, hast du diesen Lord Graelam gesehen?«
    »Ja, mein Kind. Ich sah ihn, als der Priester euch traute. Er benahm sich sehr nett. Während der ganzen Zeremonie hat er deine Hand gehalten.«
    »Und er ist jung und wohlgestaltet?«
    »Ja«, sagte Etta. »Er ist so, wie dein Vater ihn dir beschrieben hat. Nun, mein Kind, werde ich dir einige Bedienerinnen schicken. Sie sollen dir helfen. Ich packe indessen meine eigenen Sachen.«
    Kassia lächelte erfreut und umarmte ihre alte Zofe. »Etta, wir werden England noch einmal erobern, so wie es Herzog William vor zweihundert Jahren getan hat!«

7
    Joanna hielt den Wanderfalken mit der Kapuze über dem Kopf anmutig auf dem Handgelenk. Plötzlich scheute ihre Stute. Der Falke kreischte auf und grub ihr die Klauen in den dicken Lederhandschuh. Joanna hätte ihn am liebsten auf den nächsten Misthaufen geworfen. Doch unter Lord Graelams Augen behielt sie ihr hübsches Lächeln bei und riß nur unmutig an den Zügeln der Stute.
    Graelam sah es mit Abscheu. Es war zwar Joannas Stute, aber sie hatte kein Recht, so mit dem Tier umzugehen. Er seufzte und wünschte sich weit weg von Wolffeton. Ach, wäre er doch mitten in der Schlacht! Alles war besser, als den galanten Freier bei diesem albernen, eitlen Mädchen zu spielen! Sie sah allerdings nicht übel aus, und vermutlich würde er ihren Hochmut rasch brechen, sobald sie seine Frau geworden war. Sie war fast weißblond, und bisher hatte er sich immer zu blonden Frauen hingezogen gefühlt. Er hatte ihren Körperbau sorgfältig betrachtet, das breite Becken, das leichte Geburten versprach, und die vollen Brüste. Vielleicht, dachte er, würde sich ihr Stolz und ihre hohe Meinung von sich im Bett in Leidenschaft für ihn verwandeln. Doch er zweifelte daran.
    Er hörte, wie Blanche in ihrer leisen Art Joanna eine Frage stellte, und ihm mißfiel der hochfahrende Ton, in dem Joanna ihr Antwort gab. Er hatte jetzt zwei Wochen lang Gelegenheit gehabt, die beiden Frauen miteinander zu vergleichen. Er konnte sich vorstellen, daß die sanfte und unterwürfige Blanche ihm das Leben erheblich leichter machen würde als Joanna. Sollte Joanna Schwierigkeiten machen, würde er sie verprügeln müssen. Der Gedanke an ihre Mitgift hatte für ihn nie den Ausschlag gegeben. Der Schmuck, den er aus dem Heiligen Land mitgebracht hatte, hatte ihm genügend Geld verschafft, um die Ausbesserungsarbeiten in Wolffeton zu vollenden, genügend Schafe und weitere Rinder für seine Pächter und die beiden Dörfer zu kaufen und außerdem mindestens noch zwei Dutzend Krieger in Dienst zu nehmen. Nein, es war allein der Herzog von Cornwall, der ihm diese Verbindung aufdrängte. Da Edward noch immer fern von England weilte, wäre es höchst unklug gewesen, den Onkel des Königs zu verärgern.
    »Mylord«, lispelte Joanna affektiert, »mir wird es zu warm in der Sonne.«
    Graelam brummte und wendete sein Pferd in Richtung Wolffeton. Verdammter Herzog von Cornwall! Der Mann hatte beschlossen, mit Joannas Eltern und ihrem eindrucksvollen Gefolge zur Hochzeit zu kommen. Und der Herzog war kein Dummkopf.
    Joanna sah Graelams Rücken vor sich. Er hat die Manieren eines Bauern, dachte sie. Aber er war jung und sah gut aus. Als seine Frau würde sie ihn schon nach ihrem Geschmack umformen. Und dafür sorgen, daß diese Hexe Blanche bald verschwand! Sie sah seine Burg Wolffeton vor sich, und der Anblick ließ sie schaudern. Es war ein scheußlicher Bau, ein häßlicher grauer Steinhaufen mitten im Niemandsland und bot einer vornehm erzogenen Dame nicht den geringsten Luxus.
    Joanna lächelte. Nun, mochte er auch ein ungebildeter Bauer sein, so würde sie eben ihren listigen Geist ausspielen. Sie würde ihn so leicht unter den Pantoffel zwingen wie ihren Vater. Und sie dachte gar nicht daran, ihre jungen Jahre in diesem Kerkerbau Wolffeton zu vergeuden. Vielleicht einige wenige Monate im Jahr, aber das war mehr als genug!
    Joanna war mit fünf Brüdern zusammen aufgewachsen und wußte, welche Macht eine Frau durch ihren Körper ausüben konnte. Einmal hatte sie Graelam mit nacktem Oberkörper gesehen, und angesichts seiner breiten Brust und der kräftigen Arme hatte sie einen sanften Kitzel im Leibe verspürt. Sie war keine Jungfrau mehr. Diesen Vorzug hatte sie schon vor vier Jahren in den Armen eines heißblütigen Ritters aus der Gefolgschaft ihres Vaters eingebüßt. Aber sie

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