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Die Stimme des Feuers

Titel: Die Stimme des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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ein weiches blaues Wollkleid mit einem Gürtel um die schmale Taille. Die kurzen kastanienbraunen Locken schimmerten im Morgenlicht. Er stellte sich vor, wie weich sie sich in seinen Händen anfühlen mochten. Doch als sie näher kam, zog er die Brauen zusammen. Sie wirkte gar zu zerbrechlich, und die zarten Knochen standen spitz hervor.
    Kassia sah, wie ihr Mann die Stirn runzelte, und ihr Schritt wurde langsamer. Um Sir Guys hübsche Mundwinkel dagegen spielte ein mitfühlendes Lächeln. »Mylord«, sagte sie schüchtern und machte einen tiefen Knicks.
    »Geht es dir gut, Mylady?« fragte Graelam und betrachtete wieder die Locken, die sich um ihre kleinen Ohren ringelten.
    »Ja, Mylord, sehr gut!« Sie nickte Sir Guy zu und dann einem Dutzend Kriegern, die an einem anderen Tisch saßen und sie mit unverhüllter Neugier anstarrten. Nur Stephen und die anderen Männer ihres Vaters waren nicht zu sehen.
    »Wo ist Stephen, Mylord?«
    »Er hat schon gefrühstückt, Mylady«, sagte Graelam. »Jetzt kümmert er sich um die Verpflegung für die Rückkehr in die Bretagne.«
    »So ... so bald will er wieder weg?«
    »Ich sage ihm, wann er abzureiten hat«, antwortete Graelam. »Und jetzt wirst du essen, Kassia. Ich muß zum Herzog von Cornwall. Er will auch heute abreisen. Guy, du gehst mit den Männern auf den Übungsplatz. Die vielen Festtage haben sie dick und faul werden lassen.«
    Ohne sich noch einmal umzudrehen, schritt er aus dem Saal. Nur ungern ließ Guy das schüchterne Mädchen allein, aber ihm blieb keine Wahl. Er lächelte Kassia noch einmal zu und verließ dann mit den Männern den Saal.
    Kassia setzte sich auf den kleineren Sessel neben dem ihres Mannes. Mit Schaudern blickte sie auf die Brotkanten und den blassen, nicht ausgereiften Käse.
    »Paßt Euch was nicht, Mylady?«
    Es war die Bedienerin, die sie da mit kaum verhüllter Frechheit angesprochen hatte. Kassia fuhr auf. Das Mädchen war jung, so jung wie sie selbst, recht hübsch und so drall, wie sie dünn war. »Wie heißt du?« fragte sie mit leiser Stimme.
    »Nan, Mylady.«
    Plötzlich fiel Kassia eine Bedienerin in Belleterre ein, die ihr einmal frech gekommen war. Sie hatte gedacht, das zwölfjährige Mädchen wüßte sich nicht durchzusetzen. Nach drei Tagen hatte Kassia sie an die frische Luft gesetzt. »Nan«, sagte sie, »ich will ein Glas frische Milch und drei Scheiben frischgebackenes Brot. Diesen Käse hier kannst du essen oder ihn von mir aus an die Schweine verfüttern.«
    Überrascht sah Nan die zarte Unbekannte an. Ihr befehlsgewohnter Ton ließ sie aufhorchen.
    »Ihr könnt doch die Kühe melken, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Nan. »Aber frisches Brot gibt es heute erst wieder am Nachmittag.«
    »Bring mir die Milch! Um das Brotbacken kümmere ich mich selber.« Mit einem Nicken entließ sie das Mädchen, das ihr einen giftigen Blick zuwarf. Doch dann verschwand sie zu Kassias Erleichterung, wie ihr geheißen war. Kassia zwang sich, das altbackene Brot herunterzuwürgen, das ihr Mann übriggelassen hatte. Dabei bemerkte sie, daß mindestens ein Dutzend Bedienerinnen im Saal herumschlichen, die wohl nichts Besseres zu tun hatten, als sie zu beäugen.
    Mit dem geübten Auge der Hausfrau sah sie, daß das Schilfrohr höchst unregelmäßig auf dem Steinfußboden verteilt war. Und dumpf roch es auch schon. Es fehlten die süß riechenden Kräuter. Ihre Hand glitt über den Tisch. Die Platte war alt, stark mitgenommen und uneben. Und das war der Tisch des Burgherrn! Die Holzbalken über ihr waren von jahrelangem Qualm und Dreck geschwärzt und machten den Saal dunkler, als nötig gewesen wäre. Alles fühlte sich feucht und kalt an. Sie hätte das Personal gern sogleich zur Arbeit getrieben, aber die Erinnerung an das strenge Gesicht ihres Mannes band ihr die Zunge. Er war hier der Herr. Solange er ihr nicht die Erlaubnis gegeben hatte, seinen Haushalt zu führen, war es klüger, den Mund zu halten.
    Sie schloß einen Augenblick die Augen. Annullierung! Er konnte sie verstoßen, wenn die Ehe nicht vollzogen wurde. Das hatte er ihr selber gesagt. Bei dem Gedanken an diesen Akt lief ihr ein Schaudern über den Rücken. Sie hatte gesehen, wie Tiere sich paarten, und ahnte, daß die Menschen es ähnlich machten. Aber da sie noch nie einen nackten Mann gesehen hatte, wußte sie nicht recht, wie sie das anstellten. Nun, wenn Stuten das aushielten, würde sie es auch aushalten. Und schließlich mußte sie es aushalten, um Belleterre vor Geoffrey zu

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