Die Stimme des Feuers
Ausrüstung verbessern könnt.«
Nach der Waffenmeisterei besichtigten sie das Falkengehege. Graelam bemerkte Kassias Interesse und überreichte ihr einen Wanderfalken als Geschenk.
»Oh, vielen Dank, Mylord!« Unwillkürlich drückte sie vor Freude darüber seinen Arm.
»Gehst du auch auf die Jagd?« fragte er lächelnd.
Glückstrahlend bejahte sie. Dann sprach sie im Singsang mit ihrem Falken. »Auf welchen Namen hört er, Mylord?«
»Es ist komisch, aber er heißt Falke. Wenn du erst kräftiger geworden bist, gehen wir auf die Jagd.«
Tatsächlich fühlte sie sich überanstrengt. Die lange Reise hatte sie mitgenommen. Und die Begegnung mit dem fremden Mann, der ihr Gatte war. »Ich danke Euch, Mylord. Ihr seid sehr nett.«
Das klang so aufrichtig, daß es Graelam ungewöhnlich unbehaglich zumute war. In schroffem Ton sagte er: »Kann sein, daß dein Vater eine zu hohe Meinung von mir hat.«
»Mein Vater irrt sich nie, wenn er den Charakter eines Menschen beurteilt«, sagte Kassia mit Nachdruck.
»Demnach bin ich ein freundlicher Mensch, weil Maurice mich dafür hält?«
»Ja. Und außerdem habt Ihr mir ja Falke geschenkt.«
»Komm jetzt, Kassia! Es regnet schon wieder.«
Graelam schritt auf die Burg zu. Plötzlich hörte er hinter sich einen spitzen Aufschrei und drehte sich um. Sie war auf dem glitschigen Pflaster ausgerutscht. Mühelos fing er sie in den Armen auf und trug sie weiter.
»Ich war ungeschickt«, sagte sie atemlos.
»Und du wiegst nicht mehr als ein Kind.«
Kassia schmiegte sich an ihn. Er spürte ihre weichen Brüste an seinem Oberkörper. Sein Körper reagierte sofort auf die Berührung. Sie ist meine Frau, dachte er, und wenn ich will, kann ich sie heute noch nehmen. Er atmete schneller.
Sie spürte seinen Griff um ihre Oberschenkel, und plötzlich schoß ihr die Röte in die Wangen. Sie waren in den Saal gekommen, und ihr Mann trug sie noch immer in seinen Armen.
»Guten Tag, Mylord.«
Graelam stellte Kassia wieder auf die Beine. »Blanche«, sagte er, »hast du Kassia schon kennengelernt?«
»Ich heiße Euch willkommen«, sagte Blanche mit weicher Stimme. Lächelnd schaute sie das Mädchen neben Graelam an. Mit ihren wirren Locken und der dünnen Gestalt sieht sie wie ein Junge aus, dachte Blanche. Sie wußte, daß Graelam Frauen mit üppigen Körpern liebte. Mit diesem Weibverschnitt konnte er nicht glücklich sein. Während der vergangenen langen Nacht und dem folgenden nicht weniger langen Tag war sie zu der Einsicht gekommen, daß sie nie Graelams Frau und Herrin auf Wolffeton werden würde. Statt mit Joanna war er jetzt mit Kassia vermählt. Und was wird aus meinem Sohn? fragte sie sich.
»Danke«, sagte Kassia leise'.
»Ich bin Lord Graelams Schwägerin«, sagte Blanche. »Blanche de Cormont. Hättet Ihr gern einen Krug Bier, Mylord?«
»Ja«, sagte Graelam. »Und ein Glas Wein für Kassia.«
Kassia sah, wie Blanche einer Bedienerin Anweisungen gab. Dann wandte Blanche sich ihr zu. »Ich habe gehört, daß Ihr lange krank wart.«
Kassia war erfreut, daß ihr Graelam den Sessel neben seinem angeboten hatte. »Ja«, sagte sie, »aber jetzt bin ich wieder gesund.«
»Vielleicht noch nicht ganz«, sagte Graelam. Blanche übernahm den Bierkrug von der Bedienerin und reichte ihn Graelam. Dann bedeutete sie dem Mädchen, Kassia den Wein zu servieren. »Mylord, wünscht Ihr vielleicht, daß ich meinen bisherigen Pflichten weiter nachgehen soll, bis sie wieder kräftiger geworden ist?«
Kassia erstarrte. Sie warf ihrem Mann einen Blick zu, in der Erwartung, er werde seiner Schwägerin sagen, daß sie sich nicht mehr darum zu kümmern brauche. Zu ihrem Ärger lächelte Grae
lam Blanche freundlich an und sagte: »Ja, Blanche, ich danke dir.« Er leerte den Krug, wischte sich mit der Hand über den Mund und fragte sie: »Wo ist Guy?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Blanche mit verkniffenen Lippen.
Graelam stand auf. »Kassia, ich muß mit meinem Verwalter Blount sprechen. Du kannst dich zwei Stunden ausruhen.«
Kassia wußte nicht, was sie ihm antworten sollte. Sie fühlte sich ihres Gatten noch nicht sicher genug, um ihm zu sagen, daß sie das Personal zu führen wünschte. Denn ohne seine Erlaubnis konnte sie nichts tun. Also nickte sie nur stumm und sah ihm nach, wie er aus dem Saal ging.
Vielleicht ist sie seine Geliebte, dachte Kassia. Daher ihre Macht über ihn. Aber nein, das ergab keinen Sinn. Lord Graelam würde seine Schwägerin, eine Lady, nicht in sein Bett
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