Die Stimme des Herrn.
angetan, allgemein angewandt zu werden, doch ich sehe auch keinerlei Veranlassung, weshalb ich die ethische Panazee für die Menschheit finden sollte. Die Verschiedenartigkeit, die Ungleichheit ist den Menschen mitgegeben, und so beinhaltet denn Kants Forderung, die Maxime individuellen Handelns solle zugleich als allgemeines Gesetz gelten können, ungleiche Gewalt, die den Menschen zugefügt wird, und indem sie die individuellen Werte einem übergeordneten Wert, der Kultur, opfert, handelt sie ungerecht. Ich sage auch durchaus nicht, jeder sei nur in dem Maße Mensch, in welchem er ein durch den eigenen Willen gezähmtes Ungeheuer ist. Ich habe meine rein privaten Motive, meine eigene Strategie dargelegt, die im übrigen nichts in meinem Innern verändert hat. Nach wie vor ist meine erste Reaktion auf die Kunde von jemandes Unglück ein Funken Schadenfreude, und ich versuche nicht einmal mehr, derlei Regungen zu unterdrücken, weil ich weiß, daß ich nicht an die Stelle herankomme, wo das gedankenlose Kichern haust, doch ich antworte mit Widerstand, und ich handele deshalb gegen mich selbst, weil ich so handeln kann.
Wenn ich wahrhaftig vorhätte, meine eigene Biographie zu schreiben, die sich angesichts der Bände in meinem Regal als Antibiographie erwiese, brauchte ich mich für diese Geständnisse nicht zu rechtfertigen. Aber ich verfolge einen anderen Zweck. Das Abenteuer, das ich beschreibe, besteht darin, daß die Menschheit mit etwas in Berührung gekommen ist, das Wesen, die nicht zu ihrer Gattung gehören, ins Dunkel der Gestirne hinausgeschickt hatten. Eine Situation, die historisch erstmalig und darum wohl gewichtig genug ist, um die Notwendigkeit einzusehen, genauer, als dies die Konvention erlaubt, darzulegen, wer eigentlichbei dieser Begegnung unsere Seite vertrat. Zumal weder meine Genialität noch die Mathematik hinreichten, daß sie unvergiftete Früchte hervorbrachte.
I
Die Literatur über das »Master’s Voice«-Projekt ist riesig – umfangreicher und weit mannigfaltiger als die über das Projekt »Manhattan«. Als das Projekt bekannt wurde, überschwemmte Amerika und die übrige Welt eine solche Flut von Artikeln, Aufsätzen und Monographien, daß ihre Bibliographie einen stattlichen Band von der Stärke eines Nachschlagewerkes füllt. Die offizielle Version ist in Baloynes »Report« enthalten, den die American Library später in 10 Millionen Exemplaren herausgab, sein Extrakt schlug sich im achten Band der Encyclopaedia Americana nieder. Über das Projekt haben auch noch andere geschrieben, Leute, die an führender Stelle daran mitarbeiteten, wie S. Rappaport – »The First Case of Interstellar Communication«, W. Dill – »Master’s Voice – I was there«, oder D. Prothero – »MAVO Project – Physical Aspects«. Letztgenannter Beitrag aus der Feder meines inzwischen verstorbenen Freundes gehört zu den genauesten Darstellungen, wenngleich er eigentlich zur Fachliteratur gezählt werden muß, die immer dort entsteht, wo der Gegenstand der Forschung definitiv getrennt wird von den Forschern.
Abhandlungen über die Geschichte des Projekts gibt es zu viele, um sie hier alle aufzuführen. Ein Monumentalwerk stellt die vierbändige »Chronicle of 747 Days« des Wissenschaftshistorikers William Angers dar. Die Sorgfalt dieser Arbeit erfüllte mich mit Bewunderung – Angers nämlich drang bis zu allen damals am Projekt Beteiligten vor und gibt eine Zusammenfassung ihrer Ansichten. Ich habe sein Werk allerdings nicht zu Ende gelesen: Das erschien mir ebenso unmöglich wie die Lektüre des Telefonbuchs.
Eine besondere Sparte bilden jene Bücher, die kein Faktenmaterial, sondern eine Interpretation des »Master’sVoice«-Projekts liefern, was sich von der Philosophie über die Theologie bis hin zur Psychiatrie erstreckt. Die Lektüre von solcherlei Veröffentlichungen hat stets Verdruß und Langeweile in mir ausgelöst. Es ist gewiß kein Zufall, daß Leute, die nicht unmittelbar mit dem Projekt zu schaffen hatten, am meisten darüber zu sagen wissen.
Das erinnert an das Verhältnis, das der Physiker und das der gebildete Leser populärwissenschaftlicher Bücher zur Gravitation oder zu den Elektronen hat. Dieser bildet sich ein, er verstünde etwas von Dingen, die der Experte nicht einmal beim Namen zu nennen wagt. Die Information aus zweiter Hand nimmt sich immer gut aus, im Unterschied zu jener lückenhaften und ungesicherten, die dem Wissenschaftler zu Gebote steht. Besagte
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