Die Stimme des Herrn.
haben sollten, die kein weiterer Fortschritt mehr über den Haufen werfen kann, vermögen wir sie nicht von denen zu unterscheiden, die dereinst ausgelöscht werden. Und so konnte ich die Philosophen auch immer nur dann ernst nehmen, wenn ich sie als Menschen ansah, die die Neugier plagt, nicht aber als Verkünder der Wahrheit. Hatten sie denn, als sie ihre kategorischen Imperative, das Verhältnis zwischen Denken und Wahrnehmung formulierten, zuerst zahllose menschliche Individuen gewissenhaft befragt? Mitnichten! Sie haben immer und ausschließlich nur sich selbst befragt. Nun, und daß sie jedesmal von neuem den Thron bestiegen, daß sie sich heimlich, still und leise zum Modell des Homo sapiens aufwarfen, hat mich immer empört und mir die Lektüre noch so tiefschürfender Werke erschwert, denn sehr rasch gelangte ich darin an einen Punkt, wo das, was dem Autor selbstverständlich, für mich nicht mehr selbstverständlich war, er folglich nur noch zu sich selber sprach, von sich selbst erzählte, sich auf sich selbst berief und somit das Recht verlor, Dinge als feststehend zu verkünden, die für mich nicht feststanden und um wieviel weniger noch für alle übrigen Zweibeiner, die den Planeten bevölkern.
Wie sehr amüsierte mich beispielsweise die Sicherheit derer, die da festlegten, es gäbe über das Sprachliche hinaus kein Denken. Diese Philosophen wußten nicht, daß sie eine bestimmte Fraktion der Gattung abgaben, nämlich derer, die mathematisch nicht begabt sind. Wie viele Male im Leben mußte ich mich, wenn ich den Entdeckerrausch längst hinter mir und eine neue mathematische Erkenntnis so fest gefaßt hatte, daß ich sie nicht mehr vergessen konnte, noch stundenlang damit herumschlagen, ein sprachliches Gewand für sie zu finden, weil sie außerhalb jeder natürlichen wie formalen Sprache in mir entstanden war.
Ich habe jedes Phänomen für mich »Zustand des Hochtauchens« getauft. Er läßt sich nicht beschreiben, weil das, was da aus dem Unterbewußtsein nach oben tritt und mühselig, langsam nach Worten für sich sucht wie nach einem Nest, als Ganzheit existiert, noch ehe es sich in diesen Nestern niederläßt, aber ich bin außerstande, auch nur andeutungsweise etwas hervorzustammeln, was erklären würde, in welcher Gestalt eigentlich besagte Wortlosigkeit und Präverbalität auftritt, die sich nur durch das eindringliche Gefühl ankündigt, daß es nicht vergeblich sein wird, auf sie zu warten. Ein Philosoph, der solche Zustände aus der Selbstbeobachtung nicht kennt, ist ein Mensch, der sich hinsichtlich der Qualität gewisser Hirnmechanismen von mir unterscheidet; unabhängig davon, in welchem Grade wir uns innerhalb der Gattung ähneln, unterscheiden wir uns mehr voneinander, als das solchen Denkern lieb sein kann.
Gerade was die Hilflosigkeit und das ungeheure Risiko betrifft, das der Philosoph eingeht, war die Situation der Leute vom Projekt gegenüber seinem zentralen Problem sehr ähnlich. Worüber verfügten wir? Über ein Rätsel und einen Dschungel von Vermutungen. Aus dem Rätsel brachen wir bruchstückchenweise Tatsachen heraus, doch als es nicht mehr wurden, als sie sich nicht zu einem festen Massiv ausbauen ließen, das imstande gewesen wäre, unsere Vermutungen zu korrigieren, begannen letztere allmählich die Oberhand zu gewinnen, und am Ende irrten wir in einem Walde von Vermutungen umher, die ihrerseits auf Vermutungen basierten. Unsere Konstruktionen wurden immer luftiger und kühner, waren immer weiter entfernt vom Hinterland des Wissens, das wir besaßen – wir waren bereit, es umzustoßen, die allerheiligsten Gesetze der Physik und der Astronomie über den Haufen zu werfen, nur um in den Besitz des Geheimnisses zu gelangen. So schien es uns.
Dem Leser, der sich bis zu dieser Stelle durchgekämpfthat und immer ungeduldiger darauf wartet, in das Wesen des berühmten Rätsels eingeführt zu werden, weil er sich erhofft, daß ich ihm ebensolche Wonneschauer über den Rücken jagen werde, wie er sie aus Filmen kennt, die ihm das Blut in den Adern erstarren lassen, möchte ich raten, mein Buch wegzulegen, weil er enttäuscht werden wird. Ich schreibe keine Sensationsstory, sondern ich berichte, auf welche Weise unsere Kultur auf kosmische, durchaus nicht nur auf irdische Universalität geprüft wurde und was dabei herauskam. Ich hielt das Projekt von Anfang an für einen solchen Prüfstein, unabhängig davon, welchen Nutzen man sich von meiner Arbeit und der meiner
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