Die Stimme des Nichts
dass Sie ein ungewöhnliches Beispiel Ihrer Spezies sind.«
»Ich weiß«, bemerkte er trocken. »Ich wünschte, es wäre anders.«
»Wünschen. Noch so etwas, das Menschen können und Maschinen nicht. Während ich etwas über andere Menschen lernte, wurde mir Ihre generelle Kontaktfreudigkeit deutlich. Gewöhnlich suchen Sie die Gesellschaft von Ihresgleichen. Doch Sie haben die letzten Jahren verbracht, indem Sie meistens allein in mir reisten, lediglich in Begleitung Ihrer fliegenden Schlange. Ich vermute, das könnte eine Ursache Ihrer gegenwär tigen Niedergeschlagenheit sein. Sie müssen mit anderen Menschen reden, Flinx, und ihnen die Unklarheiten anvertrauen.«
Für ein paar Augenblicke war es still auf der Brücke. Entweder wusste die Teacher mehr über die menschliche Natur, als sie vorgab, oder die KI war unaufrichtig. Doch wie dem auch sein mochte, die Wahrheit ihrer Worte erzwang sich einen Weg in sein Bewusstsein und klammerte sich fest.
Vielleicht stimmte es. Vielleicht war es nötiger als alles andere, dass er mit jemandem redete. Aber mit wem? Es gab niemanden, dem er vertrauen konnte, niemanden, der den Charakter und den Ernst seiner verstörenden Träume verstehen und seine persönlichen Probleme und die ihn begleitende Leere nachfühlen könnte. Da war Mutter Mastiff – aber die wurde immer älter. Sie könnte ihm zuhören, würde ihn aber nicht ausreichend begreifen. Bei allem Mitgefühl, dass sie ihm entgegenbringen mochte, besaß sie doch nicht die nötigen Bezugspunkte, um zu erfassen, was in ihm vorging. Pip konnte ihm Wärme geben, aber nicht sprechen. Die Teacher konnte, wie sie soeben klug angemerkt hatte, gelehrsame Konversation betreiben, aber nicht mit Menschlichkeit aufwarten.
Darüber hinaus musste sein Gesprächspartner auch vertrauenswürdig sein. Konversation und Verständnis war viel leichter zu finden als Vertrauenswürdigkeit.
Tatsächlich fiel ihm plötzlich ein, dass es so jemanden gab. Einen. Vielleicht.
Wo sollte er ihn suchen? Naheliegenderweise dort, wo sie sich zuletzt gesehen hatten. Er zögerte. Würde er damit das Richtige tun? Die Möglichkeit eines Verrats drängte sich ihm immer als Erstes auf. Das hatte ihn viele Jahre lang davon abgehalten, sich jemandem ausgiebig mitzuteilen. Aber die Teacher hatte recht, das war ihm klar. Er hatte sich länger keinem anderen Menschen mehr anvertraut, als gut für ihn war. Er musste auf Gedeih und Verderb eine Möglichkeit finden, sich bei jemandem zu erleichtern, der nicht bloß zuhörte, sondern auch mit Tiefsinn und Gefühl reagieren konnte und nicht nur mit Maschinenlogik.
Noch unsicher, ob er das Richtige tat, aber unfähig, sich eine Alternative auszudenken – und verzweifelt genug, um unbedingt handeln zu wollen –, nannte er der Teacher endlich ein Ziel.
New Riviera war nicht einfach bloß eine schöne, ungezwungene und erfreuliche Welt. In den über siebenhundert Jahren, während derer die Menschheit den Orionarm der Galaxis erforschte und sich darin ausbreitete, war sie noch immer die beste, die der Mensch je gefunden hatte. Manche Planeten wurden als bequem, andere als erträglich bezeichnet. Aber unter den Hunderten, die von Menschen wie Thranx beurteilt wurden, wurde bloß Nur, wie er oft verkürzt genannt wurde, als noch gastfreundlicher eingestuft als Mutter Erde.
Es war, als hätte sich die Natur – in einem besonders entspannten und zufriedenen Augenblick – entschlossen, einen Platz zu schaffen, wo Menschen leben konnten. Nur war kein Paradies. Zum Beispiel beheimatete er gefährliche Tiere, gleichwohl nicht in sonderlich nennenswerter Zahl. Es gab endemische Krankheiten, doch waren sie weder sehr ernst noch verbreitet. Der Planet besaß Jahreszeiten, wobei ein Winter, wie die Menschen ihn kannten, auf den Nord- und den Südpol beschränkt war. Dank eines bemerkenswert stabilen Orbits und einer ebensolchen Achse herrschte auf weiten Teilen der Oberfläche ein konstant tropisches oder gemäßigtes Klima. Da es keine aufregenden Gebirge gab, fiel der Regen vorhersagbar und in moderatem Ausmaß, außer in den extremen Tropen, wo er eine willkommene Abwechslung war.
Der Großteil der einheimischen Tiere und Pflanzen war hübsch und harmlos. Durch den Überfluss an leichter Beute waren selbst die Raubtiere ein wenig träge. Eingeschleppte Lebewesen konnten in der außergewöhnlich angenehmen Umgebung gut gedeihen. Alles, von Multiweizen aus Kansastan bis zu tropischen Früchten aus Humus und
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