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Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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Erinnerungen an die Mächte überfluteten ihn: die langen, sonderbar proportionierten Arme mit ihren raschen, unmöglichen Bewegungen, der Geruch der dicken, hormongesättigten Luft, der Ausdruck in Serengs Augen. Wenn er die Droge nahm, würde er wissen, was Sereng gesehen hatte.
    Er mußte es wissen. Von einer einzigen Dosis konnte man nicht süchtig werden – so lief das nicht bei einer Sucht. Und wenn das Zeug giftig war? Nun, es gab eine Menge einfacherer und leichter herzustellender Gifte, von denen sich Vesta eins hätte aussuchen können. Er beobachtete sich im Badezimmerspiegel, während er den Inhalator an die Nase hob. Die Berührung des eiskalten Metalls an seiner Oberlippe ließ ihn erschauern. Er löste den Apparat in jedem Nasenloch einmal aus.
    Beißende Kälte strömte durch seine Nebenhöhlen. Der Schmerz ließ ihm Tränen in die Augen treten, aber durch die Kälte konnte er die Mächte mit ihrem schweren Duft riechen. Wieder überfluteten ihn Erinnerungen: die unheimliche Art, wie die Aliens sich bewegten und sprachen, wie sie mit disharmonischen Klagelauten aus ihren Orgelnüstern durch die Luft schossen. Steward erschauerte von neuem. Blut brauste durch seine Adern, während ihm sein Herzschlag in den Ohren dröhnte.
    Sein Herzschlag wurde langsamer. Nichts geschah. Er schaute sich im Spiegel an, und das Gesicht, das den Blick erwiderte, sah überrascht aus. Stimulation der Hirnfunktion, Vermehrung der neuralen Verbindungen – das müßte er fühlen.
    Dann traf ihn das Adrenalin, die Nachwirkung des Schreckens, und er merkte, wie ihm die Knie weich wurden. Er bekam es unter Kontrolle, indem er sich übers Waschbecken beugte und das Gewicht auf seine zitternden Arme verlagerte. Das Neurohormon tat überhaupt nichts; zumindest nichts, was er wahrnehmen konnte.
    Er schenkte seinem Spiegelbild ein zittriges Grinsen, hob den Inhalator und löste ihn erneut aus.
    Nichts.
    Es war ein gutes Abendessen.
     
    Später nach dem Essen kam Steward noch zu seiner Feier, als er in die Niedriggrav-Bars in der Nähe der Docks ging. Er wollte lachen und tanzen und fand in einer Pink Blossom-Rekrutin namens Darthamae, die gerade den letzten Teil eines Sechsunddreißig-Stunden-Urlaubs auf der Station verbrachte, eine Partnerin. Sie war genetisch verändert; ihr Herz und ihre Lungen waren ultraeffektiv, damit sie sich an eine Niederdruck-Umgebung anpassen konnte, und durch Biofeedback-Techniken hatte sie die bewußte Kontrolle über ihre Tauchreaktion gewonnen. Ihre Arme und Beine waren lang und grazil, und ihr dunkles Gesicht war unnatürlich sanft, wie das einer Madonna. Sie war überrascht, als er kein Zimmer in einem der billigen Hotels bei den Docks nehmen wollte, sondern statt dessen tiefer in die alte Spindel hinunterging, zum King George V, und ein Penthouse-Zimmer mit niedriger Schwerkraft nahm, das den Blick auf den gewölbten Wohnbereich über ihnen freigab. Auf der anderen Seite der Spindel war es Nacht, und Straßenlampen leuchteten wie neue Konstellationen über ihnen.
    Darthamae bewegte sich mit der fließenden Anmut der Veränderten, und wenn sie sprach, dann redete sie auch mit den Händen, eine Sprache, die sie unter ihresgleichen in luftleeren Umgebungen benutzte. Ihre Arme und Finger bewegten sich wie hin und her huschende taktile Wegweiser in der Luft. Sie schien fast gar nicht zu atmen. Wenn sie redete, mußte sie häufig zuerst einatmen, damit sie genug Luft in die Lungen bekam, um zu sagen, was sie sagen wollte. Ihre Hände sagten es oft schon vor ihren Lippen.
    Sie war ganz anders als Natalie. Steward war es lieber so – er wollte Darthamaes Sanftheit und Ruhe. Sie war sein Exorzismus. Er war nicht sicher, ob er damit Erfolg hatte.
    Die Landschaft über ihnen wurde hell und bildete neue Muster aus grünen und braunen Rechtecken. Steward bestellte Champagner zum Frühstück, sprang aus dem Bett und reckte sich. Seine Bänder taten ihm immer noch weh. Die geringe Schwerkraft hier war ein wahrer Segen. Darthamae beobachtete ihn vom Bett aus.
    »Wie kommt es, daß jemand mit soviel Geld wie du Maschinist wird?« fragte sie.
    »Ich hatte einfach Glück. Hab' einen guten Börsentip bekommen.«
    Ihre Hände hoben sich in die Luft und umfaßten mit einer anmutigen Bewegung das Penthouse, die Glasdecke und die fernen Wohnbereiche am Himmel. Sie atmete ein. »Muß ein höllisch guter Tip gewesen sein.«
    Er lächelte. Es klopfte an die Tür. »Schon mal Champagner getrunken?« fragte er.
    »Nicht aus

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