Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
Vom Netzwerk:
kam mit einem kühlen Flüstern aus dem Telefon. Charter war auf der anderen Seite des Mondes, und es gab eine Verzögerung von einer Sekunde, weil das Signal über die Prinz-Station geleitet wurde.
    »Ja«, sagte er. »Ich hab's mir angesehen. Das Zeug in der Flasche sieht wie feiner brauner Staub aus. In Wirklichkeit ist es ein lebendes Virus, Kumpel, das in einem inaktiven gefriergetrockneten Medium enthalten ist. Wenn das Medium mit Feuchtigkeit in Berührung kommt, auf einer Schleimhaut zum Beispiel, dann wacht das Virus auf und macht sich an die Arbeit.«
    »Irgendeine Idee, was für eine Arbeit das ist?« Steward stand in einer Telefonzelle in einem der Einkaufszentren von Neue Menschheit. Auf allen Seiten leuchteten Hologramme in einem einzigen Reklamerummel. Musik quoll wie Sirup durch die Luft. In seinen Nerven brannte immer noch Koffein.
    »Keine Ahnung, Kumpel«, sagte Zhou. »Ich hab' nicht die Ausrüstung, sowas in allen Einzelheiten durchzuchecken. Diese Vieren sind ungefähr zweihundert Millimikrons groß, und das ist selbst für einen Virus klein. Und der innere Aufbau ist sehr seltsam – sowas wie das Nukleoprotein, das hier das genetische Material trägt, hab' ich noch nie gesehen. Nicht daß ich ein Experte bin – ein Virologe könnte Ihnen vielleicht mehr erzählen.«
    »Ist es ansteckend?«
    »Das bezweifle ich. Das Virus hat nur eine begrenzte Widerstandsfähigkeit gegen sauerstoffhaltige Umgebungen – es muß spätestens nach ein paar Stunden von einem Wirt aufgenommen worden sein, sonst stirbt es. Aber ich weiß nicht, was für ein Wirt das sein soll. Ich hab' das Virus an ein paar Ratten ausprobiert, und es ist gestorben. Vielleicht war der ph-Wert nicht richtig, oder sonstwas. Ich kann spezifischere Tests durchführen.«
    »Ist irgendwas mit den Ratten passiert?«
    Zhou lachte in sich hinein. »Denen geht's blendend. Die amüsieren sich prächtig hier in ihren sterilen Boxen. Ich teste noch die Langzeitwirkung, dann töte ich sie.«
    Bunte Hologramme drängten Steward, irgend etwas zu kaufen. Er schwebte an der Grenze der Reichweite der Telefonschnur. Frösche segelten in der Luft vorbei.
    »Sparen Sie sich weitere Tests«, sagte er. »Aber ich möchte, daß Sie sehr gut auf diese Flasche aufpassen. Etwas will ich Ihnen mit allem Nachdruck klarmachen: Dieses Zeug ist sehr heiß. Wenn Sie mit irgendwem darüber sprechen – mit irgendwem –, dann werden Sie sterben. Wahrscheinlich auf äußerst unerfreuliche Weise. Das steht fest.«
    Zhous Stimme war leise. »Wollen Sie mir drohen, Kumpel?«
    »Ich doch nicht. Wenn Sie reden, dann gehe ich mit Ihnen drauf.«
    »Ah.« Steward hörte, wie ein Nikotinstäbchen inhaliert wurde. Als Zhou wieder sprach, war seine Stimme gleichmütig. »Dann werde ich nicht reden.«
    »Das ist für alle das Beste, glauben Sie mir. Also, ich werde ein paar Wochen lang weg sein. Ich möchte, daß Sie die Flasche in ein Sicherheitsdepot legen und mir den Schlüssel schicken. Meine Postanschrift ist in Moskau.«
    »Sie wollen mir Ihren richtigen Namen und Ihre Adresse geben? Ich kann's nicht glauben.«
    »Es wird keinen großen Unterschied machen, oder? Wenn einer von uns redet, sterben wir, ganz gleich, welchen Namen wir benutzen. Stimmt's?«
    Zhou ließ ein kaltes Lachen hören. »Wissen Sie«, sagte er, »ich glaube, meine Honorarsätze für diese kleinen Jobs sind eben in die Höhe gegangen.«
    Steward grinste. »Kann ich Ihnen nicht im mindesten verdenken«, sagte er.
     
    »Ich möchte mit jemand über Treuhandfonds sprechen«, sagte Steward.
    Er war mit der Fähre von Neuer Menschheit nach Solon geflogen. Solon war ein ruhiger Ort, ein Torus mit matter Beleuchtung, der von gedämpfter Konversation, flimmernden Kommunikationsschirmen und dem leisen digitalen Summen der Dollaranhäufung erfüllt war. Solon war ein Bankzentrum, und ein überproportional hoher Anteil des Reichtums, der den Wohnsatelliten im Erd- und Mondorbit gehörte, lief durch seine codierten Fäden.
    Von hier aus konnte Steward mit einem Shuttle zur Erde fliegen. Er hatte sich die letzten Nachrichten von Charter angesehen, und sein Glück hielt immer noch an – es gab keine Meldung über einen Toten, den man im Xylophon gefunden hatte. Soweit er wußte, wurde er nicht verfolgt.
    Dies hier war die Stone Bank, und Stewards Nachforschungen zufolge schien sie das zu sein, was er suchte. Es gab keine verglasten Schalter und keine Videoschirme, die den Kunden mit einer KI verbanden, dafür aber

Weitere Kostenlose Bücher