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Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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und für die restliche Zeit wollte sie Gesellschaft haben.
    Sie hatte zu Zöpfen geflochtene dunkle Haare, olivbraune Haut, einen Diamantknopf in einem Nasenflügel und einen tätowierten Manticore, der sich um einen Knöchel ringelte. Steward lernte sie kennen, kurz nachdem er von Bord der Born gegangen war, und zwar in einer Bar namens Mi Minor, die er aufgesucht hatte, um sich eine Kombination von Koffein und Alkohol zu Gemüte zu führen. Als er dort ankam, spielte Torner an den Automaten im vorderen Teil. Sie trug eine dunkle Kordsamthose, ein blaues Hemd mit Nadelstreifen und eine kragenlose Jacke. Beim Bestellen sah er, daß sie zu einem inneren Rhythmus auf und ab hüpfte, während der Automat rotierte und Lichter über ihr Profil flackerten. Es gab einen lauten, metallischen Ton, und der Automat spuckte etwas aus. »Verdammt«, sagte sie in angewidertem Ton. Sie hatte einen Akzent, der dem d arg zusetzte. Sie schaute sich um, sah, daß Steward sie beobachtete, und hielt ein Päckchen Players hoch.
    »Der Apparat zahlt in Naturalien aus«, sagte sie. »Rauchst du?«
    »Ich versuch's gerade aufzugeben.«
    »Mist. Was für 'ne billige Tour, so'n Automaten laufen zu haben.« Sie stopfte sich die Zigarettenschachtel in die Tasche und warf einen Blick auf seinen Drink. »Was trinkst du da?«
    »Irish Coffee.«
    »Ich hab' den ganzen Nachmittag fauchende Tiger getrunken. Vielleicht probier' ich's zur Abwechslung mal mit 'nem Irish Coffee.«
    Sie setzte sich auf den Barhocker neben ihm und tippte mit einem Kreditstachel auf die Theke, um die Aufmerksamkeit des Barkeepers zu erregen. Steward und sie tranken langsam und erzählten sich Geschichten aus ihrem Leben. Sie kam von einem ehemaligen Mennoniten-Wohnsatelliten im Gürtel, der während der finanziellen Anpassung im Gefolge des Artefakt-Krieges bankrott gegangen war und sich dann per Abstimmung Sieben Monden angeschlossen hatte. Vor dem College hatte sie ihr Zuhause noch nie verlassen. Steward kam zu dem Schluß, daß sie viel nachzuholen versuchte.
    »Hör mal«, sagte sie, »du kommst doch von der Erde. Ich möchte gern was wissen. Wenn ich jemand anderen frage, werde ich bloß ausgelacht.«
    »Schieß los!« sagte Steward. Sie runzelte die Stirn und konzentrierte sich. »Ich möchte was über den Wind wissen. Ich bin noch nie wo gewesen, wo es welchen gab. Habt ihr auf der Erde ständig Wind?«
    »So ungefähr. Manchmal ist die Luft still, aber für gewöhnlich nicht lange.«
    »Wie fühlt sich das an? Ich meine, ist es so, wie wenn man vor einem Ventilator steht?«
    »So ähnlich.« Er hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht. »Nur daß sich die Windgeschwindigkeit dauernd ändert. Bei einem Ventilator hält der Propeller immer dasselbe Tempo.«
    »Mhm.« Sie legte den Kopf schief und sah ihn an. »Wie ist das – ich weiß nicht – riecht es anders oder so? Oder weht der Wind Gerüche weg, so daß sie nie bei einem ankommen?«
    »Der Wind riecht nach dem, was es dort zu riechen gibt. Nach Bäumen oder Blumen oder Erde oder Müll oder dem Meer.«
    »Nach organischem Zeug.« Sie rümpfte die Nase.
    »Was halt gerade da ist.«
    »Wow. – Vermißt du's?«
    Er dachte einen Moment lang darüber nach. »Ja. Jetzt, wo du davon sprichst.«
    Sie trank ihren Drink aus und wischte sich Sahne von der Oberlippe. Sah ihn wieder an. »Wollen wir tanzen gehen?«
    Darüber mußte Steward überhaupt nicht nachdenken. »Warum nicht?«
    Sie gingen in einen anderen Laden, einen Club mit niedriger Schwerkraft am Ende der ursprünglichen Mitsubishi-Spindel. Torner zahlte die Drinks, zog ihre Haftslipper aus und tanzte barfuß zur Todo-Musik. Tätowierungen blitzten auf, als ihre Hosenaufschläge lose herumflatterten. Später am Nachmittag gingen sie mit Fleischspießen mit heißer Erdnußbuttersoße auf Stewards Zimmer. Torner schlief auf Stewards Bett ein. Ihre nackten Füße hingen am Ende herunter; sie hatte sich in ihre Jacke gewickelt, und die Slipper ragten aus ihren Taschen.
    Das Koffein hinderte Steward daran, einzudösen. Er saß in seinem Schreibtischsessel und betrachtete Torner, während sie schlief, sah dann das blinkende Licht an seinem Apparat, das sich rot in ihrem Diamanten spiegelte, und kam zu dem Schluß, daß es an der Zeit war, sich seine Nachrichten anzuhören.
    Es gab zwei Botschaften von Reese, in denen es um die Fahrt mit der Vorrangfracht nach Vesta und um das Andocken ging, das er sich nach Kräften zu verpassen bemüht hatte. Dann kam eine

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