Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
Vom Netzwerk:
Aus diesem Grund hatte man Steward und Reese in billigen Wohnräumen der Station untergebracht, von Laufstegen und Gerüsten umgebenen, achtzehnfach übereinandergestapelten sargartigen Quartieren, die im Querschnitt sechseckig waren und alle über ein Bett, einen Klapptisch, Toilette, Video und ein Computerterminal verfügten. Noch ein weiteres Crewmitglied der Born war in der Station, eine Frau namens Cairo, die Chefingenieurin. Steward war ihr bei seiner Ankunft vorgestellt worden, hatte sie jedoch seitdem nicht mehr gesehen.
    Selbst außerhalb des Schiffes hatte er nur wenig Freizeit. Er hatte die erforderlichen Tests bestanden, um bei Starbright hineinzukommen, mußte jedoch die Maschinen, die er warten würde, noch in allen Einzelheiten kennenlernen. Er hatte Reese den Eindruck vermittelt, daß er mehr wußte, als es den Tatsachen entsprach, und er wollte sie nicht enttäuschen. Er verbrachte die meiste Zeit im Bett, vollgepumpt mit Drogen, die seinem Langzeitgedächtnis halfen, die Details über die Born und ihre Systeme aufzunehmen und zu verstehen, wie die Dinge dort gehandhabt wurden. Starbright war eine nichtideologische Polikorp, die sich fast ausschließlich mit Transport und Antriebssystemen beschäftigte, und ihre Organisation war so stromlinienförmig und zweckmäßig wie einer ihrer Atmosphärenkutter. Ihr Geschäft war das Überleben, und sie überlebte, indem sie Systeme und Schiffe produzierte, die auf dem neuesten Stand der Technik waren, und das gleiche galt auch für ihr Personal.
    Selbst wenn Steward Freizeit hatte, wagte er sich nur selten hinaus. Die Wirkung der Drogen schien nie ganz nachzulassen, und sie beeinflußten seine Wahrnehmungen auf eine sonderbare, unerfreuliche Art und Weise: Er merkte, daß er sich an Kleinigkeiten erinnerte, die er sonst vergessen hätte, und diese belanglosen Erinnerungen waren irgendwie beunruhigend – die Art, wie Reeses Zunge sich hinter ihrem strahlenden Lächeln bewegte; sein eigenes Spiegelbild, das von einem gebogenen Metallstück verzerrt wurde; eine verwirrende Harmonie im Sirren eines Hirn-Superladers ganz in der Nähe; das Profil einer dunkelhaarigen Frau, die er in der Hochgrav-Sporthalle bewundert hatte und die sich plötzlich umdrehte und ihn mit Augen ansah, die von gelb werdenden Quetschungen umgeben und von einem unerklärlichen Haß erfüllt waren …
    Also arbeitete er hart, jeden Tag mindestens fünfzehn von vierundzwanzig Stunden, und bestand seine Tests in Rekordzeit. Die Drogen bescherten ihm einen unruhigen Schlaf; Teile seines Verstandes waren die ganze Zeit äußerst aktiv, und er schlief nur wenig – den Rest der Zeit verbrachte er damit, Schach zu lernen, sich alte Spiele einzuprägen und sich Gedanken über die Struktur des Spieles zu machen, über sein geschlossenes System und die Art, wie es gegen die Entropie und den Zusammenbruch der Ordnung gefeit zu sein schien. Jede Figur an ihrem Platz bedeutete etwas, war ein Paket spezifischer Potentiale, das stets in einer einzigartigen Beziehung mit den anderen Figuren stand, einer Beziehung, die sich änderte, wenn die Figur bewegt wurde. Während er über das Spiel nachdachte, begann er sich selbst in seinem sechseckigen Raum wahrzunehmen, dem Hotelzimmer, verstrickt in eine sich wandelnde Beziehung mit den anderen um ihn herum, und er schien seinem Alpha seltsam nahe zu sein, der eine Figur in einem anderen, vielleicht ähnlich gearteten Spiel war …
    Schließlich verlor sich die Wirkung der Drogen, und er schlief zwei Tage lang. Er wachte mit Informationen auf, die sicher in seinem Geist verwahrt waren, aber der Eindruck, daß er selbst zu einem komplexen Muster von Beziehungen gehörte, war verschwunden und nur vom Summen der Station und der Geschäfte ersetzt worden, die alle so komplex und verwirrend waren, daß sie insgesamt nur wenig mehr als weißes Rauschen ergaben, das Zischen einer inhaltslosen Hintergrundinformation. Sein Gefühl für die Bedeutung des Ganzen und für dessen Beziehung zu ihm war fort; es war, als hätte er seine Fähigkeit eingebüßt, zwischen Signal und Rauschen zu unterscheiden.
    Er wanderte eine Weile in der Station umher und versuchte wieder ein Gefühl dafür zu bekommen, was er verloren hatte. Der Ort kam ihm fremdartig vor, das Personal bizarr. Kommunikation schien unmöglich zu sein; Worte waren zu Rauschen geworden. Er kehrte in einer Bar ein, bestellte Kaffee, Hühnersalat und Maistortillas und war überrascht, daß der Barkeeper verstand,

Weitere Kostenlose Bücher