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Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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an der Tür. Er gab einen Code auf der Tastatur ein, und elektronische Riegel schossen zurück. Er trat von der Tür zurück und steckte den Stachel wieder in die Tasche.
    »Setzt ihn auf den Stuhl!« sagte er. Stewards Wächter schob ihn durch die Tür und befahl ihm, sich hinzusetzen.
    Der Stuhl war aus schwarzem Plastik vom Gasplaneten. Er hatte keine Lehne und war am Boden festgeschraubt. Die Stange an Stewards Handschellen wurde an einem Metallvorsprung befestigt, der aus dem hinteren Teil des Stuhles herausragte.
    Vor Steward stand ein kleiner Schreibtisch. Der Mann mit der Halbglatze nahm dahinter Platz. Steward sah LEDs, die sich in seinen Augen spiegelten und Stewards Zustand durch die Handschellen und über Streßindikatoren in seiner Stimme überwachten.
    Überwacht. Steward versuchte seinen Mund anzufeuchten und schaffte es nicht.
    Er wußte, daß er nichts besaß, nur sich selbst. Nichts sonst konnte ihm helfen. Er hatte keinen Panzer, keine Waffen. Er mußte sie irgendwie aufbauen.
    Ich habe keine Taktik, dachte er. Ich mache das Sein und die Leere zu meiner Taktik. Ein Zen-Gesang.
    Ich habe keine Burg. Der unwandelbare Geist ist meine Burg.
    Ich habe kein Schwert. Ich mache mein Schwert aus dem, was über den Dingen und jenseits von ihnen ist, aus dem Denken.
    Das Universum war feindselig; deshalb beschloß er, sein eigenes zu erbauen, Konstellationen in seinem Kopf zu erschaffen, sich an die Sterne und ihre Anordnung zu erinnern. An eine nach der anderen, bis er den Himmel im Kopf hatte. Zuerst den Skorpion. Er versuchte sich zu erinnern, wie viele Sterne dazugehörten und wie sie angeordnet waren. Antares, M4, M7, richtig so. Das hatte er alles in seinen Kursen für Navigation bei Nacht gelernt.
    »Laßt uns allein«, sagte der Mann mit der Halbglatze. »Ich sage euch Bescheid, wenn wir fertig sind.«
    Die Wärter gingen. Die Metalltür schloß sich hinter ihnen. Steward dachte an Sterne, während der Mann mit der Halbglatze ihn in kaltem Schweigen anstarrte und langsam seinen Kaffee trank. Steward atmete bewußt, spannte seine Muskeln in den Handschellen, erprobte, wie weit er seine Haltung verändern konnte. Versuchte in Gedanken anderswo zu bleiben, weit weg von dem starren Blick, den er auf sich spürte, außerhalb der Metallschachtel, die ihn festhielt. Versuchte, nicht zu reagieren, als der Mann nach einer langen Zeit, in der nur das Wispern der Lüftung zu hören gewesen war, endlich sprach.
    »Ich bin Colonel Angel«, sagte er. »Ich arbeite bei der Pulsar-Abteilung. Und du gehörst mir.«
    Acharnar, dachte Steward. An der Spitze von Eridanus.
    Wolf 294, dachte er. Sheol.
     
    Angel versuchte seinen Blick festzuhalten, indem er ihn anstarrte. Aldebaran, dachte Steward. Im Orion. Falsch. Im Stier.
    »Erstens«, sagte Angel, »der Procureur hat deinen Fall zu einer Angelegenheit erklärt, die unter den Inneren Sicherheitscodex fällt. Das heißt, du wirst hier so lange festgehalten, wie es uns paßt, und alle Unterlagen werden auf Dauer unter Verschluß gehalten. Du wirst mit niemand sprechen, weder mit einem Rechtsanwalt noch mit sonst jemand. Kein Habeas Corpus, keine Kaution. Du bist einfach in einem Loch verschwunden, und ich bin der einzige, der die Leiter hat, mit der du rauskommen kannst.«
    Steward blickte zu ihm auf. Von dem Universum in seinen Kopf bis zu Angel schien es ein sehr weiter Weg zu sein. »Ich nehme nicht an, daß der Codex Sie ermächtigt, mir genau zu sagen, was ich getan haben soll.«
    Eine Ader pulsierte in Angels Schläfe. »Mehrfachen Mord, um damit anzufangen.«
    Mehr als einen? dachte Steward.
    »Sabotage. Spionage. Angriffe auf akkreditierte Mitglieder der Handelsdelegation der Mächte. Kleinigkeiten wie Diebstahl und Zollvergehen.«
    »Wann genau soll ich das getan haben?«
    »Am neunzehnten Februar dieses Jahres.«
    Steward zwang sich zu lächeln. »Stimmt schon nicht. Da war ich ganz woanders.«
    Angel wirkte nicht beeindruckt. »Ich nehme an, das kannst du beweisen. Zeugen und alles, richtig? Du hast Ricot nie verlassen.«
    »Ich war noch nie auf Ricot. Letzten Februar war ich in einer Cryogengruft in Flagstaff, Arizona, USA!« Angel reagierte nicht. »Das ist auf der Erde, mein Freund aus dem All«, sagte Steward.
    »Neue Körper gibt's alle Nase lang. Ich sehe, daß du jünger bist, als du sein solltest.«
    »Ich kann mich an nichts erinnern, was geschehen ist, nachdem ich zweiundzwanzig war. Sie werfen mich also für Taten ins Loch, von denen ich gar nichts

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