Die Stimme des Wirbelwinds
mehr weiß.« Steward grinste wieder. »Ich schätze, Sie werden vor dem Procureur ganz schön blöd dastehen.«
»Consolidated wäre ja dumm, wenn sie dir nach dem, was du getan hast, keine neue Identität gegeben hätten.«
»Hat Consolidated aber nicht. Das ist es ja. Mein Alpha – das ist der Kerl, hinter dem Sie her sind – ist im März auf Ricot gestorben. Consolidated Systems hat kein Interesse an mir. Die haben mir keine neue Identität gegeben. Glauben Sie, die würden mir nicht wenigstens einen neuen Namen und neue Fingerabdrücke besorgen, wenn ich noch für sie arbeiten würde?«
Angels Gesichtsausdruck änderte sich nicht. »Mit der Verzögerungstaktik erreichst du gar nichts, Steward«, sagte er. »Du hast nur dann eine Hoffnung, hier rauszukommen, wenn du kooperierst.«
»Suchen Sie's raus! Besorgen Sie sich meine Unterlagen aus dem Krankenhaus!«
»Unterlagen kann man ändern.«
Steward zuckte die Achseln, soweit die Handschellen es zuließen. Die Tür hinter Angel ging auf, und ein anderer Mann kam herein. Geisterhafte Finger streiften Stewards Bauch bei seinem Anblick, eine Angst, die rasch in Wut umschlug. Der Mann war groß, hatte einen runden Kopf und schmale Augen. Steward erkannte ihn wieder: Es war derjenige, der ihn bei seiner Verhaftung mit dem Schockhandschuh geschlagen hatte. Er lehnte sich wortlos an die rückwärtige Wand. Seine Hand steckte in seiner Jackentasche, als ob er immer noch einen Schockhandschuh tragen würde.
Mit dir würde ich gern mal kurz vor die Tür gehen, dachte Steward. Und zwar ohne deinen Handschuh oder deine Düsen oder die Technik, die du in deine Nerven verwoben hast. Ist mir gleich, ob du zwanzig Kilo mehr wiegst als ich.
LEDs blinkten rot in Angels Augen.
Steward holte Luft. M44, dachte er. Im Krebs.
Verhörtechnik, dachte er. Die oberste Regel lautete immer, den Betreffenden zu isolieren: Das war das erste. Sorge dafür, daß er sich ganz allein auf der Welt fühlt. Steck ihn nackt in eine Metallschachtel. Strahle ihn die ganze Zeit mit Scheinwerfern an, damit er nicht weiß, ob es Nacht oder Tag ist, so daß er mit als erstes sein Zeitgefühl verliert. Geh mit ihm durch die Sicherheitsstation, so daß er sich noch mehr allein fühlt, ein Mensch, der in einer riesigen Maschine gefangen ist. Steck ihn dann in einen kleinen Raum, erkläre ihm, daß er nur aus der Maschine herauskommt, wenn er tut, was man ihm sagt, und sorge für eben jenen zusätzlichen Angstimpuls, indem du einen sehr großen Mann dazuholst, der ihm gerade erst starke Schmerzen zugefügt hat …
Durch den Kontrast zu dem anderen würde Angel der Gute werden. Steward würde darauf angewiesen sein, daß er den anderen fernhielt. Würde ihm gefallen, ihm Vertrauen schenken wollen. Und ihm alles geben, was er haben wollte.
Steward kannte sämtliche Züge. Er wußte genau, was Angel machte. Aber das hieß nicht, daß Angels Technik nicht funktionieren würde. Es gab nur einen Weg, nicht zu zerbrechen, nämlich dafür zu sorgen, daß man intakt, unversehrt und fern von all dem blieb. Im Universum der Sterne, die er in seinem Kopf erschuf.
Das hier war mehr als ein Verhör, dachte Steward, und er war der einzige, dem das klar war. Angel und sein Partner wußten, was hier auf Vesta geschehen war, und versuchten die Antworten auf das zu finden, was sie nicht wußten. Steward wußte weniger als sie. Er konnte ihnen nichts Neues sagen. Aber allein schon die Fragen, die sie stellten, konnten Steward etwas sagen, und er mußte dafür sorgen, daß sie weiterfragten. Er hatte seine Unschuld beteuert, weil es ihnen seltsam vorgekommen wäre, wenn er es nicht getan hätte. Aber in Wirklichkeit wollte er, daß das Verhör weiterging, wollte, daß Angel und der andere über Dinge redeten, die Steward ihrer Meinung nach bereits wußte. Und um das zu schaffen, mußte er ihr Interesse wecken, mußte sie irgendwie davon überzeugen, daß er die Antworten hatte, die sie haben wollten. Er mußte so tun, als wüßte er Dinge, von denen sie keine Ahnung hatten.
Angel zerdrückte seine Schaumstofftasse und ließ sie auf den Schreibtisch fallen. Er nahm den Hefter in die Hand, schlug ihn auf und sah ihn flüchtig durch. Steward sah den Namen darauf: FILESECUR:STEWARD.1. »Was hattest du vor, Steward?« fragte er. »Wolltest du zu einem Treffen? Jemand besuchen, den du kennst? Oder wolltest du dir bloß mal das Ausmaß des Schadens anschauen, den du letztesmal angerichtet hast?«
»Ich wollte gerade zu
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