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Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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war. Er fragte sich, ob der Premier jemand im Sicherheitsapparat von Consolidated Systems war.
    Er sah sich in seiner Zelle um, schob die Schultern vor und zuckte zusammen, als sein verbranntes Fleisch protestierte. Dies war eines der wenigen Male, wo er nicht von der Stimme der Wärter aufgeweckt worden war, die ihm befahl, sich mit dem Gesicht zur Wand und den Händen auf dem Rücken hinzuknien.
    Eine kleine Geste des Trotzes war vielleicht angebracht. Er rollte von seiner Matratze herunter und fing mit Liegestützen an. Auf den Fäusten. Jedesmal, wenn er sich hochstemmte, stieß er einen Schrei aus. Am Schluß rang er keuchend nach Atem, streckte den Mittelfinger in Richtung der Monitore, die hinter den Gittern an der vorderen Wand verborgen waren, und murmelte: »Nimm das, Angel!«
    Er trank Wasser aus dem Waschbecken und fing mit Schattenboxen an. Die beiden hellen Scheinwerfer gaben ihm zwei Schatten, mit denen er herumtänzeln konnte. Sie taumelten beide wie betrunken. Mit seinem Gleichgewichtssinn war etwas nicht in Ordnung.
    Der elektrische Riegel an der Tür fuhr klickend zurück. Die Tür ging auf. Steward wirbelte herum und spürte, wie das Schwindelgefühl bei der allzu plötzlichen Bewegung über ihn wegspülte. Er stand mit erhobenen Fäusten da und sah einen seiner Wärter – die Frau, die er am ersten Tag gesehen hatte – im Eingang stehen. Sie hatte keinen Helm auf, und ihre Panzerjacke war offen, so daß er die Uniformbluse darunter sehen konnte. Sie war blond und hatte ein kantiges Gesicht, und ihre Augen unter dem Schmetterlingsflügel-Make-up waren kühl. In einer Hand hielt sie seine ordentlich zusammengelegten Kleider.
    Sie warf sie auf die Matratze. »Anziehen!« sagte sie. »Sie werden entlassen.«
    Ungläubig senkte er seine Deckung ein wenig. »Warum?«
    Sie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, warum man Sie überhaupt festgenommen hat. Geht mich nichts an.« Sie trat hinter die Tür zurück. »Schauen Sie in Ihren Taschen nach und vergewissern Sie sich, daß nichts fehlt. Das müssen Sie unterschreiben. Klopfen Sie, wenn Sie fertig sind!« Die Tür schloß sich wieder.
    Steward stand schweratmend da. Ihm war schwindlig, und die Scheinwerfer blendeten ihn. Er überlegte einen Moment lang, dann zog er langsam seine Unterwäsche und die Socken an und schlüpfte in seine Cordhose und seine Stiefel. Er sah in seinen Taschen nach, warf einen Blick auf das Hemd und die Jacke und dachte: Falls ich meine Chance kriege. Er legte das T-Shirt und die Jacke über den Arm und klopfte.
    Die Tür ging wieder auf, und Steward erkannte, daß sie nicht verriegelt gewesen war. Die Frau musterte ihn von oben bis unten. »Wollen Sie nicht Ihr Hemd anziehen?«
    »Mir gefällt's, wie ich aussehe, mit Brandmalen auf dem Rücken.«
    Die Wärterin sah ihn finster an. »Ist Ihre Sache, schätze ich.«
    Er folgte ihr zum Schreibtisch unten im Flur und unterschrieb dort für seine Habseligkeiten. Sie brachte ihn in den Fahrstuhl und führte ihn dann durch den langen beigen Korridor an Zimmer zwölf vorbei zu dem großen Raum, wo Leute auf ihre Computertastaturen einhämmerten und in ihre Telefone sprachen.
    Steward blieb stehen, betrachtete sie und fragte sich, wie viele von ihnen Bescheid wußten, was in Zimmer zwölf vor sich ging. Vielleicht alle. Vielleicht gehörte das für diese Leute einfach zum Arbeitsalltag, eine kleine Foltersitzung vor der Kaffeepause am Nachmittag.
    »Da lang.« Seine Begleiterin war stehengeblieben und hatte sich zu ihm umgedreht. Steward ließ den Blick langsam durch den Raum schweifen. Von Angel und seinem Partner war nichts zu sehen. Vielleicht war es nicht ihre Schicht.
    »Ich will Kaffee«, sagte er und drehte sich um.
    »Hey«, sagte die Wärterin.
    »Hellere Sonnen ist mir 'n Kaffee schuldig, Scheiße noch mal!« fauchte Steward. Seine Stimme war sehr laut. Leute schauten zu ihm auf; sahen die Brandmale; senkten den Blick. Niemand schien sonderlich bestürzt zu sein. Er kam an Angels Schreibtisch vorüber und warf dabei einen Blick darauf. Was er suchte, war da, genau an der Stelle, wo es seiner Erinnerung nach am ersten Tag auch gewesen war, bei jenem ersten Verhör. Es lag auf einem Stapel von Papieren, einem Haufen von Heftern, die als geheim abgestempelt waren.
    Steward schwankte leicht beim Gehen. Mit seinem Gleichgewichtssinn stimmte immer noch etwas nicht. Er übertrieb es leicht, merkte, wie er des Guten zuviel tat und beinahe hinfiel, und fing sich

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