Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stimme des Wirbelwinds

Die Stimme des Wirbelwinds

Titel: Die Stimme des Wirbelwinds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
Vom Netzwerk:
rückte der schwere Geruch der Mächte in den Hintergrund.
    »Ich würde ja gern hierbleiben, euch ein bißchen rumführen und vielleicht noch was trinken«, sagte Colorado, »aber ich bin todmüde. Ich hab' zweieinhalb Schichten gearbeitet. Tut mir leid, daß ich so ungesellig bin.«
    »Willst du nicht wenigstens mit in die Cafeteria kommen?« fragte Steward.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich hab' mein Apartment vom Dock aus angerufen und ihm befohlen, mir was zu kochen. Ich werde noch schnell essen und mich dann hinhauen.«
    »Wir sehen uns morgen.«
    Die Cafeteria war okay, dachte Steward. Sie war vollständig automatisiert, und er suchte sich aufs Geratewohl etwas zu essen aus, weil er sich nicht vergiften lassen wollte. Er setzte sich mit dem Rücken zur Wand hin und aß wachsam.
    Reese beobachtete ihn mit stiller Belustigung. Ihr Verhalten irritierte ihn. »Nimmst du den Helm ab, wenn du ins Bett gehst?« erkundigte sie sich.
    »Kann sein.«
    »Wenn sie wollten«, sagte sie, »hätten sie genausogut an Bord der Born gehen und dich dort töten können. Das ist dir doch klar.«
    Er dachte für einen Moment darüber nach, dann nickte er. Reese hatte recht.
    Das hielt ihn nicht davon ab, einen Stuhl zu nehmen und die Tür zu verrammeln, als er schlafen ging. Das Messer legte er unter sein Kopfkissen.
     
    Am nächsten Tag war Steward für zwei Schichten mit einer Stunde Essenspause dazwischen eingeteilt. Während der Pause gesellten sich Colorado und seine Freundin Navasky in der Cafeteria zu ihnen. Navasky war ein hochgewachsenes Mädchen von ungefähr sechzehn Jahren, blond und blaß, mit den perfekten Gesichtszügen und dem zarten Äußeren der genetisch Veränderten. Sie hatte sich das Gesicht gelb angemalt; über den Nasenrücken lief ein roter Winkel.
    Die frühen Imagisten hatten sich beherzt an das Reich der Gentechnik herangewagt und ihre Hoffnung auf gewaltige Sprünge aus dem Gefängnis des menschlichen Fleisches heraus in eine großartige, unsichtbare Zukunft gesetzt, eine Periode, in der die Leistungen der Imagisten eine steile Kurve nach oben in die Unendlichkeit beschrieben, eine ›posthumane Singularität‹, die aus ›posthumanen Tropen‹ bestand. Sie hatten wahre Wunder an gesteigerter Intelligenz und erweitertem Erkennungsvermögen geschaffen, und sie hatten auch Anpassungsfähigkeit an nichtterranische Umgebungen herangezüchtet, Menschen der zweiten Stufe, die für immer außerhalb der Schwerkraft leben würden, die wahren Bewohner des Weltraums. Sie waren zu schnell vorgegangen und hatten die Zerbrechlichkeit der menschlichen DNS unterschätzt, mit der sie sich befaßten. Ihre superintelligenten, superintuitiven Schöpfungen erwiesen sich als anfällig für Schizophrenie, Epilepsie und Anfälle von Paranoia. Es stellte sich heraus, daß ihre Immunsysteme nicht einmal den allergewöhnlichsten Bakterien standhalten konnten. Die Imagisten hatten nicht erkannt, daß die genetische Struktur des Menschen Grenzen hatte, daß eine Verstärkung der einen Charakteristika eine Schwächung anderer nach sich ziehen konnte. Die Menschen der zweiten Stufe führten in ihren schwerelosen Umgebungen ein schönes Leben und waren bei der industriellen Fabrikation in der Schwerelosigkeit gut zu gebrauchen, aber ihre robusteren Vorfahren erwiesen sich als widerstandsfähiger bei den Beschleunigungsphasen mit hohen g-Werten, die den menschlichen Handel ankurbelten und Güter vom Gürtel der Erde, zum Saturn und darüber hinaus beförderten.
    Die NeoImagisten waren bescheidener. Navaskys Zartheit zeigte, daß ihr Geist wahrscheinlich geringfügig verändert worden war, aber sie war trotzdem robust genug, mit Colorado und Steward zusammen das Mächte-Schiff zu entladen. Sie war mit einem Stipendium zu Starbright gekommen, was bedeutete, daß sie zu den besten zwei Prozent der Menschheit gehörte, und fing ganz unten im Frachtgeschäft an, aber sie hatte vor, sich bis zum Kapitän eines Sternenschiffs hochzuarbeiten.
    Bevor sie aß, überraschte sie Steward damit, daß sie sich über ihren Teller beugte und ein Gebet sprach. Steward wußte nicht, an wen es gerichtet war.
    »Sie haben die Aufrüstung meiner Sprachzentren verstärkt«, sagte sie beim Essen. Sie sprach über ihre Gene wie andere Leute über ihre Schuhe. »Und ich hab' eine Spezialausbildung in Sozialisationstheorie bekommen. Meine Gene waren darauf angelegt, eine brauchbare Diplomatin aus mir zu machen, aber das müssen die Kapitäne von Sternenschiffen

Weitere Kostenlose Bücher