Die Stimme
Schönheit auch im Ausland bekannt ist?«
»O Mylady, man erzählt sich doch überall davon. Wer in diesem Königreich hätte wohl solch eine blasse Lilienhaut? Man munkelt, daß ein gewisser edler Ritter sich in Liebe zu Euch verzehrt, doch seinen Namen wollte niemand preisgeben.« Lady Blanche sah erfreut aus. Und auf diese Weise ging es weiter, und seine Freunde griffen zu Laute und Fidel und sangen noch ein Lied auf ihre Schönheit. Man konnte sehen, daß diese Spielleute hier ein Weilchen leben würden wie die Made im Speck.
Die fahrenden Sänger waren eine lustige Truppe. Sie gingen von der Halle in die Küche, in die Ställe und in die Garnison und machten überall gut Wetter für sich. Als die Kaufleute weiterzogen, schien den Gauklern und dem Ablaßkrämer die Umgebung so zuzusagen, daß sie blieben. Der Ablaßkrämer hatte sich doch wahrhaftig den Gauklern angeschlossen und konnte ebenso große Erfolge verbuchen, denn sein Handel mit Reliquien und Ablaßbriefen blühte, zu dieser Jahreszeit besteht nämlich eine große Nachfrage danach. Eines Tages vertrat er mir den Weg und sagte:
»Liebreizende Maid, ich finde, Ihr braucht so ein kleines Etwas, etwas, das Segen auf Euch herabregnet und Euch einen schmucken Ehemann beschert. Ich habe da ein Schnipselchen vom Fingernagel der Heiligen Katherina zu einem Preis, den ich eigens um Eurer hübschen Augen willen heruntersetzen will.« Ich betrachtete den Schnipsel vom Fingernagel. Er war in einem kleinen Beutel, den man um den Hals tragen konnte. Sehr klein sah er aus.
»Ich habe kein Geld, Sir«, sagte ich.
»Für Euch Bruder Sebastian, Engelsäuglein. Ich muß Euch jedoch vermahnen. Ihr laßt es an Gottesfürchtigkeit fehlen. Dergleichen tut mir Gott kund. Macht Euren Mangel dadurch wett, daß Ihr diese Devotionalie ersteht. Ich gehe jetzt, doch bedenkt bitte eines: es könnte doch sein, daß Gott Euch das Geld schickt – ich werde diese kostbare Reliquie jedenfalls für Euch vierzehn Tage zurücklegen, obschon etliche Mägdelein dafür Interesse gezeigt haben.« Damit ging er. Ich sah seiner gedrungenen, rundlichen Gestalt nach und dachte bei mir, wenn das nicht ein komischer Mensch ist. Ablaßkrämer sind zumeist grämlich und versuchen, einen mit Geschichten vom Fegefeuer so in Angst und Schrecken zu versetzen, daß man einen Ablaßbrief kauft. Der da sah aus, als ob er eher im Wirtshaus daheim wäre.
Doch nun weihnachtete es sehr, da blieb keine Zeit, weiter über den Ablaßkrämer nachzudenken. Es ging hoch her, auch das Gesinde und die Dorfleute nahmen an dem großen Fest in der Halle teil. Über dem Podest hatte man einen Baldachin angebracht, und dort empfing der Herr seine Leute so prächtig wie ein König. Die große Halle war mit grünen Zweigen ausgeschmückt, und die Grundfesten der Burg schienen beim Tanzen zu erzittern. Und da lernte ich Mutter Hilde plötzlich von einer ganz anderen Seite kennen. Sie war eine wunderbare Tänzerin. Erhitzt und außer Atem konnte sie einfach kein Ende finden, denn sie hatte viele Tänzer unter den Leuten aus dem Dorf. Aber am häufigsten tanzte sie mit dem Ablaßkrämer, der sich wie alle anderen voll der Weihnachtsfreude hingab.
Mehrere Tage lang wurde turniert, und dabei führten Ritter und Schildknappen ihre Geschicklichkeit vor. Die Waffenschmiede auf der Burg hatten mit dem Ausbessern der Beulen alle Hände voll zu tun, desgleichen auch der Bader, welcher außerhalb der Festzeiten fast nur Haare schnitt und Bärte rasierte. Abends versammelte man sich zu Kurzweil und einem weiteren Festmahl und Tanz. Vor dem Abendessen sang dann Master Robert wohl ein neues Lied von Heldentaten in der Schlacht, während des Essens tat sich seine Truppe mit den Spielleuten auf der Empore zusammen. Danach, doch noch vor dem Tanz, traten er und sein Partner mit einem ›Zwiegespräch‹ auf – einem komischen Dialog zwischen beispielsweise Wein und Wasser oder Winter und Sommer. Im Verlaufe des Abends arteten die Dinge dann aus, denn Robert le Tambourer war in der Tat ein ›Maistre‹, ein Meister der unzüchtigen und bissigen Posse. Seine ›Ware‹ bestand größtenteils aus lüsternen Witzen über ›Wandermönche‹, welche große Heiterkeit auslösten, außer bei Vater Denys. Wenn sich bei Tage alles zum Turnier versammelte, pflegten Maistre Robert und seine Truppe zu jonglieren, Geschichten zu erzählen und die kleinen Hunde Kunststücke vorführen zu lassen – das beste war in meinen Augen das mit dem Hund, der
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