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Die Stimme

Titel: Die Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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durch die Menge lief und mit einer Schüssel im Maul um Pennys bettelte.
    Und so blühte der Weizen bei Gauklern und Ablaßkrämer gleichermaßen, bei Tag und auch bei Nacht. Ihr Weizen blühte jedoch noch auf einem Feld, worauf ich allerdings nie gekommen wäre. Eines Abends sagte Mutter Hilde verträumt:
    »Würdest du nicht gern in so einer schönen, großen Stadt wie London leben?«
    »Was um Himmels willen soll das heißen, Mutter Hilde?« gab ich zurück.
    »Das soll heißen, wir müssen ohnehin von hier weg. Warum also schließen wir uns nicht diesem reizenden Ablaßkrämer und diesen bezaubernden Musikanten an, wenn sie aufbrechen? Der liebe Bruder Sebastian sagt, daß eine Frau von meiner Begabung und Geschicklichkeit in London durchaus ihr Glück machen kann.«
    »Der liebe Bruder Sebastian? Seit wann ist er denn ein Lieber?« Von diesem glattzüngigen Schuft hatte meine Freundin das Schlimmste zu befürchten.
    »Ach, Margaret. Du verkennst ihn ebenso wie alle anderen. Er ist doch so charmant, so aufrichtig und gelehrt.« Sie wirkte so zufrieden mit sich, daß ich erschrak.
    »Auf was um Himmels willen hast du dich eingelassen?« fragte ich, doch Mutter Hilde starrte nur verträumt ins Leere.
    »Er sagt, daß er zu einer Frau von meiner Intelligenz und meinem angeborenen leidenschaftlichen Wesen einfach in Liebe entbrennen muß. Ich habe meinen Mann geliebt und nie einen anderen gewollt – aber dieser Mann, ja, den liebe ich aus dem gleichen Grund. Margaret, du ahnst ja nicht, wie klug er ist, sonst würdest auch du ihn bewundern. Ich bin wieder glücklich.«
    Wenn es etwas noch Aufreizenderes gibt als ein schmachtendes Mädchen, dann eine schmachtende Fünfzigjährige, dachte ich. Eines steht fest, der Mann legt sie herein. Wie kann ich sie nur trösten, wenn er sie sitzenläßt? Hilde beobachtete meine Miene. Sie ergriff meine Hand und sagte:
    »Ich weiß, daß du mißtrauisch bist, liebes Mädchen – und du tust recht daran: Unterhalte dich mal mit ihm, du ahnst ja gar nicht, wie vortrefflich er ist. Und wie ungewöhnlich er sich ausdrückt! Hast du jemals einen Menschen so gewählt reden hören? Also, ich verstehe kaum ein Wort von dem, was er sagt! Das ganze Französisch und Latein, das er daruntermischt, just wie ein Herr, nur gekonnter! Und er ist so weitgereist, so debonair .«
    »O Hilde, ich habe solche Angst, daß er dir wehtut. Machst du dir darüber denn keine Sorgen?«
    »Kein bißchen, kein bißchen! Lern ihn kennen und dann urteile selbst. Ich möchte, daß du an meinem Glück teilhast. Wir ziehen alle nach London und werden reich.«
    Und so ging ich denn am folgenden Tag in den Raum hinter dem Stall, wo sie wohnten; ich stand den Plänen meiner Freundin sehr ablehnend gegenüber, denn etwas Gutes schaute dabei gewiß nicht heraus. Mein Eintreten unterbrach sie in ihrer Beschäftigung. Sie saßen alle um Peter herum auf dem Boden und brachten ihm bei, wie man Steine auf einen Holzteller voller seltsamer Zeichen warf.
    »Ah, immer herein, Margaret!« rief Master Robert so forsch, als kennte er mich bereits. »Wir unterweisen gerade Peter im Wahrsagen. Früher hat das einer der Hunde gemacht, aber mit einem Feenwechselbalg dürfte es viel besser laufen.«
    »Margaret, meine Liebe, wir freuen uns sehr, daß du dich unserem frohgemuten Pilgerzug nach London anschließen willst, der uns durch die malerischen Flecken und Jahrmärkte unseres geliebten Königreiches führen soll«, sagte Bruder Sebastian freundlich. Ich musterte die Gesichter ringsum, die sich jetzt um mich drängten. Unheildrohend kamen sie mir nicht vor, aber besser, man gab Obacht, daß man nicht hereingelegt wurde.
    »Wird Master Robert nun in London bleiben oder nach Navarra zurückkehren?« fragte ich mißtrauisch. Wer sagte mir denn, daß sie uns nicht an einem noch schlimmeren Ort als diesem sitzenließen.
    »Nach Navarra? Eine lange, gefahrvolle Reise, mein Kind. Vornehmlich dann lang und gefahrvoll, wenn man noch nie dort gewesen ist«, sagte Bruder Sebastian mir vertraulich ins Ohr, so als wollte er mir damit die Angst nehmen.
    »Da du nun zu uns gehörst, sollst du auch alles wissen.« Master Robert grinste fröhlich.
    »Aber – Ihr habt doch so einen Brief?« stammelte ich.
    »Natürlich haben wir einen Brief. Wir haben auch noch mehr davon. Bruder Sebastian weiß sehr geschickt mit der Feder umzugehen«, sagte Master Robert mit einer wegwerfenden Handbewegung.
    »Du gehörst nun zu uns, also laßt uns Pläne

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