Die Stimme
Margaret ist die badesüchtigste Frau, die Ihr Euch vorstellen könnt. Ich sage ihr, daß sie sich bald die Haut abgebadet hat und was dann – doch sie hört einfach nicht auf. Baden, baden – einmal, zweimal die Woche! Was Geschmeide angeht, so kennt sie keine Eitelkeit, wie Euch sicher aufgefallen ist, doch diese Baderei ist ebenso schlimm. Rosenwasser, Mandelöl, ihre Wünsche wollen kein Ende nehmen. Und Wäsche! Fürwahr, mit diesem ewigen Wäschewechseln halten wir eine ganze Wäscherei in Brot. ›Nimm's doch ein wenig leichter, Schatz, ein bißchen anständiger Dreck ist gesund‹, sage ich zu ihr. ›Gesund für Bohnen und Blumen, aber nicht für Menschen‹, sagt sie. Vielleicht hat sie ja nicht so unrecht. Seit sie im Haus ist, sind alle weniger krank gewesen. Kann aber auch von ihrem Beten kommen. Sie hat da so einen merkwürdigen Trick – habt Ihr das schon bemerkt? Ihr Gesicht wird dabei ganz Licht.«
»Nein, habe ich nicht. Aber diese Baderei – keine Duftwässerchen bitte! Ich tue mich schon schwer genug mit den Eitelkeiten dieser Welt.«
»Nur keine Bange. Außerdem behalte ich Euch aus selbstsüchtigen Motiven da. Ich möchte Euch um einen Gefallen bitten. Doch nicht, ehe Ihr nicht wieder hergestellt seid.«
Er schlug Bruder Gregory auf den Rücken. Der zuckte zusammen. Vertrauliche Gesten mochte er nicht. Außerdem war sein Rücken wund. Er hatte sich gegeißelt, hatte sich bemüht, Gott zu sehen, und war noch nicht wieder ganz hergestellt. Es dünkte Bruder Gregory wie ein Augenblick, und schon wurde er in ein Hinterzimmer des Hauses geführt, in dem der hohe, hölzerne, eisenbeschlagene Zuber bereits aufgestellt war. Zwei reinlich gekleidete Mägde mit weißen Kopftüchern waren emsig dabei, Messingkrüge mit heißem Wasser hereinzutragen und ihn zu füllen. Wenn er fertig gebadet hatte, würden sie jeden Tropfen Wasser wieder hinaustragen müssen.
»Alles Verschwendung und Eitelkeit«, murrte Bruder Gregory und musterte das Bild, das sich ihm bot. Dampf stieg auf und fing sich in dem hübschen, bunten Leinenzelt über dem Zuber, das man zum Wassereinfüllen ein Stückchen beiseitegeschoben hatte. Automatisch griff die Magd nach der kleinen Flasche mit Rosenwasser, mit der sie das Badewasser wohlriechend machen wollte.
»Keine albernen Damengerüche!« brüllte Bruder Gregory, und sie blickte erschreckt über seine schlechte Laune hoch und entfloh. Kendall hatte ihm einen Diener geschickt, der ihm ins Bad helfen und seine Kleider mitnehmen sollte, denn er hatte so ein Gefühl, daß sich Bruder Gregory Frauen lieber vom Leibe hielt. Der Mann legte eine Fußmatte auf den binsenbedeckten Fußboden, daß Gregory die nackten Füße darauf stellen konnte. Wegen der Wasserflecke lag in diesem Raum im Gegensatz zu den meisten anderen, die Kendall und seine Familie bewohnten, kein Teppich. Er erinnerte Bruder Gregory irgendwie ein wenig an früher, als er und sein Bruder daheim jeden Morgen neben dem Bett ihres Vaters stehen mußten, während der Kammerdiener niederkniete und ihm die Fußmatte hinlegte, ehe er dem alten Mann beim Ankleiden half. Nur daß jenes Haus hart und kalt gewesen, während dieses warm und behaglich war.
»Das haben wir schnell in Ordnung gebracht«, sagte der rostfarben gekleidete Diener und nahm Bruder Gregorys stinkende Kleider mit. Mit einem Aufstöhnen ließ Bruder Gregory seinen geschundenen Körper in den Zuber gleiten. Er kam sich zutiefst erniedrigt vor. Wäre es denn so schmachvoll gewesen, wenn er ungebadet nach Hause gegangen wäre?
Er zog die Alternative ernstlich in Betracht. Beides mußte Spott herausfordern, und wenn Bruder Gregory eines haßte, dann Spott. Außerdem bot sein schmalbrüstiges Zimmerchen im obersten Stockwerk eines schäbigen Mietshauses keine dieser vortrefflichen Einrichtungen zur Säuberung. Bequem war es hier einmalig – doch andererseits wäre er im eigenen Zimmer mit seiner Schmach allein gewesen, statt daß er sie im Haus von Fremden zur Schau stellte. Taktvolle Fremde zwar, doch schicklich war es nicht.
Ganz in Gedanken streckte er die Hand aus dem Zelt und tastete nach dem Krüglein mit Rosenwasser. Ob das wirklich so gut duftete? Er zog den Stöpsel heraus und schnupperte. Wirklich gut! Es roch wie Margaret. Dann machte er es wieder zu und stellte es eiligst weg.
Er wollte tiefer ins Wasser rutschen, zuckte aber zusammen, als es seinen Rücken berührte. Ein dunkler Belag breitete sich auf der Wasseroberfläche aus. Bruder
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