Die Stimme
beinahe überall, wohin ich kam, gab es ein kleines Wesen, das sich dann wohl aus der spielenden Gruppe löste oder anhielt und mir eine Botschaft überbrachte oder sagte:
»Ei, da ist ja Margaret! Hallo, Margaret!« Das machte irgendwie alles anders.
»Schön, daß du wieder lachen kannst, Margaret«, sagte Hilde eines Abends am Kamin. An jenem Tag hatte es ein leichtes Abendessen gegeben, und das ging auch nicht anders, denn Bruder Malachi hatte kein Geld mehr, und Hilde verdiente nicht genug, als daß davon vier Leute gut hätten leben können. Dieser Tage gab es reichlich Braunbrot, Bohnen und Zwiebeln. Bruder Malachi machte sich überhaupt nichts daraus, denn er stand so kurz vor der Entdeckung des Geheimnisses, daß er oftmals vor lauter Aufregung vergaß zu essen und dann erinnert werden mußte. Peter war es auch egal, denn ihm schmeckte wohl ohnedies alles gleich. Hilde ertrug schwere Zeiten immer tapfer. Aber mir machte es etwas aus. Ich bekam vom Herumstrolchen und Schlittschuhlaufen einen geradezu wölfischen Hunger, und das machte mir manchmal schwer zu schaffen.
»Ganz entschieden ein Fortschritt«, setzte Bruder Malachi hinzu, der zufällig einmal bei uns saß, statt im Hinterzimmer zu arbeiten. »Du mußt zugeben, daß du mürrisch und verdrießlich gewesen bist, Margaret. Und das geht jemand wie mir, der ständig die ätherische Luft der Begeisterung atmen muß, wenn er seine schwierige und aufreibende Suche weiterführen will, schwer auf die Nerven.«
»O, tut mir schrecklich leid. Das kommt doch nur, weil ich mich so schäme, daß ich noch kein Geld verdient habe. Ich leiste einfach meinen Beitrag nicht, und das stimmt mich mißmutig«, gestand ich. Gleich betuttelten mich beide und sagten, daß ich sehr wohl meinen Beitrag im Hause leistete. Ich fand zwar, daß sei nicht ganz das Gleiche, aber dann erzählte ich ihnen eine komische Geschichte, die ich von den Lehrlingen gehört hatte, und da mußten wir alle wieder lachen.
Aber es machte mir zu schaffen – daß ich nichts zu tun hatte, wo ich doch wußte, ich war genauso gut wie manch andere. Und es machte mir zu schaffen, daß dieser gräßliche Drache von nebenan ständig mein Kommen und Gehen bespitzelte und daraus lautstark und vor jedermann den Schluß zog, ich wäre eine übel beleumdete Frau. Und gerecht war das auch nicht, wo doch ringsum Leute wohnten, die den Klatsch und Tratsch eher gelohnt hätten. Da gab es beispielsweise einen Hehler, der viele nächtliche Besucher hatte. Es gab einen schlanken Burschen, den ich für einen Taschendieb hielt, dazu noch etliche, große, massige Kerle, die für Geld alles machten, und wenn es noch so anstößig war.
Doch auch meine Stunde kam einmal. Ich war zuhause geblieben, um auszukehren und zu brauen, denn das kann ich wirklich gut. Meiner Meinung nach schmeckt auch das Wasser in der Stadt zu eigenartig, als daß man es trinken kann. Es klopfte an die Tür, und als ich aufmachte, stand da ein hochgewachsener, schäbiger Mensch in einem langen, fadenscheinigen, schwarzen Gewand. Er hatte ein langes, knochiges Gesicht wie ein erschöpfter Hund, und das ließ ihn älter wirken. Es war ein Priester mit niederen Weihen, der verheiratet war und eine Wehmutter suchte. Hilde war fort, und so sagte ich ihm, ich wäre auch eine. Er sah enttäuscht aus.
»Ich hatte gehofft, die Ältere…« sagte er.
»Ich weiß, daß ich jung bin, aber ich habe bei vielen Geburten mitgeholfen und Kinder wohlbehalten auf die Welt gebracht, wenn auch noch nicht in London. Die ›Ältere‹ ist meine Lehrherrin, und ich mache alles genau wie sie.« Unerschrocken stand ich für mich ein, aber etwas in meinen Augen ließ ihn aufmerken.
»Hier habt Ihr also noch nicht viel gearbeitet?« fragte er.
»Nein«, seufzte ich, »ich bin ja noch nicht lange in London, und da ich nicht alt aussehe, tu ich mich sehr schwer, mir einen Namen zu machen, vor allem in diesem Gewerbe.«
»Dann geht es Euch nicht anders als mir«, sagte er. »Ich bin gekommen, weil London eine Stadt aus Gold ist, doch davon hat noch nichts den Weg in meine Tasche gefunden. Verheiratete Priester werden niemals befördert. Ich habe ein wenig Arbeit gefunden, Kopieren und Psalmensingen. Gelegentlich segne ich auch Häuser –« und dabei blickte er sich hoffnungsvoll um. »Würdet Ihr gern Euer Haus gesegnet haben?« Da konnte ich noch soviel kehren, das Haus sah immer noch schäbig aus, und für einen weißen Anstrich fehlte uns das Geld. Es fiel uns nur
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