Die Stimme
denn das, Margaret? Wieder einer von deinen Jungen? Wie heißt du, und wer ist dein Meister, denn ein Blinder kann sehen, daß er dich sehr schlecht behandelt.« Mutter Hildes Stimme klang freundlich und besorgt, während sie ihm Gemüsesuppe aus unserem ständig vor sich hinsiedenden Topf vorsetzte.
»Ich heiße Sim, und ich habe keinen Meister«, antwortete er. »Meine Mutter hatte nicht das Lehrgeld, daß ich ein Gewerbe erlernen konnte. Jetzt ist sie tot, und ich suche mir Arbeit, wo ich kann.«
»Und zum Betteln bist du wohl auch nicht zu stolz«, sagte Mutter Hilde. Der Junge schwieg. Mutter Hilde dachte ein wenig nach und verschwand dann in Bruder Malachis Werkstatt, während Sim aß. Bald kam sie geschäftig wieder ins Zimmer geeilt.
»Sim«, sagte sie, »Bruder Malachi, der sich mit einem Vorhaben von größter Wichtigkeit beschäftigt, braucht einen Jungen, der den Blasebalg für ihn bedient und seine Gefäße säubert. Peter hat sich dabei als völliger Versager erwiesen. Sonst war das immer Margarets Arbeit, ehe sie selbst soviel zu tun hatte. Mittlerweile ist Bruder Malachi durch das Übermaß an Arbeit und Enttäuschung fix und fertig. Wenn du ihm das abnehmen willst, darfst du hierbleiben. Würde dir das gefallen?« Sim blickte argwöhnisch.
»Es ist kein Trick dabei. Hier werden keine Kinder gebraten oder geschlagen, und es gibt fast immer gut zu essen. Was hältst du davon?« Mittlerweile war die Katze herbeigekommen und hatte sich Sim auf die Füße gesetzt. Er überlegte kurz, dann sagte er: »Ja, ich will es machen.« Mutter Hilde küßte ihn, und so war es denn abgemacht. Ich wusch die Schnittwunde aus und versorgte sie, doch uns war beiden klar, die beste Medizin für diesen Jungen war Essen.
Sim ging uns gut zur Hand. Je mehr sich seine Geister hoben, desto länger arbeitete er für Bruder Malachi, er aß wie ein Faß ohne Boden und machte viele nützliche Botengänge. Mir fiel aber auch auf, daß er mit zunehmender Kräftigung eine Art Sonderstellung unter den anderen Jungen einnahm, denn die behandelten ihn mit großer Ehrerbietung.
Eines Tages sah ich auf dem Weg zum Markt Sim auf der Straße, wie er bei einem Ballspiel als erster an die Reihe kommen wollte und das auch, unverdientermaßen, wie mir schien, schaffte. Ich holte ein Kind ein, das gelaufen kam und auch mitspielen wollte, und faßte es bei der Schulter.
»Bitte, warte eine Minute, und beantworte mir eine Frage«, sagte ich. »Wer ist denn der Junge da, der als erster drankommt, und warum genießt er soviel Ansehen?«
»O, Lady, wißt Ihr das denn nicht? Das ist doch Sim. Er lernt bei einem Zauberer und kennt schon ein paar sehr mächtige Geheimnisse. Er kann niedere Dämonen herbeirufen und seine Feinde in Frösche verwandeln.«
»Er kann was? Mir scheint, er schneidet tüchtig auf.«
»O nein, das ist alles wahr. Er hat uns Quecksilber aus dem Laboratorium seines Meisters gezeigt und ein Wasser, welches Steine auflösen kann.«
»Danke, daß du's mir erzählt hast. Vor Zauberern muß man sich wirklich sehr in acht nehmen.«
»Das finde ich auch, Lady.«
An diesem Abend knöpften wir uns Sim vor.
»Sim«, sagte ich bestimmt, »mir ist zu Ohren gekommen, daß du den anderen Lehrlingen erzählst, du gingest bei einem Zauberer in die Lehre.« Bruder Malachi zog die Brauen hoch. Sim sah besorgt aus.
»Sim, wie furchtbar«, sagte Mutter Hilde. Sim ließ den Kopf hängen.
»Sim«, sagte ich, »wenn du mit solchen Geschichten hausieren gehst, holst du uns den Erzdiakon auf den Hals. Wenn nun jemand ihm all das Zeug über Frösche und Dämonen erzählt? Er wird Bruder Malachi wegen Zauberei einsperren. Vielleicht uns alle.« Sim sah aus, als wollte er gleich losheulen.
»Frösche? Dämonen?« Bruder Malachi wirkte grimmig, doch um einen seiner Mundwinkel zuckte es. »Was genau hast du nun deinen Spielkameraden erzählt?« Kleinlaut kam Sim damit heraus.
»Sim, Sim.« Bruder Malachi schüttelte bedenklich den Kopf. »Mit einer solchen Zunge wirst du leider kein guter Zauberer und auch kein Alchimist – aber –« Sim blickte hoffnungsvoll auf – »ein umwerfender Verkäufer! Spare dir deine Lügen für die Wanderschaft, mein junger Freund, und ich nehme euch mit auf Reisen, sowie du etwas größer bist. In der Zwischenzeit wirst du deinen kleinen Freunden erzählen, daß dein Meister einen so unangenehmen Dämon herbeigerufen hat, daß er es auf der Stelle bereut und sich nun auf eine ausgedehnte Pilgerfahrt begeben
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