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Die Stimme

Titel: Die Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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ihn etwas.
    »Aber könnt Ihr mir nicht wenigstens etwas darüber erzählen?«
    »Ein ander Mal vielleicht, dann ziehe ich dich ins Vertrauen, doch für heute muß es reichen, daß ich dich bitte, nie mit jemandem darüber zu sprechen.«
    »Keine Bange, Bruder Malachi«, antwortete ich dann wohl. »Ich kenne keine Seele, der ich davon erzählen könnte.«
    Und das stimmte. Ich war jung, aber ich kam mir nicht mehr wie ein junger Mensch vor. Und ältere Leute legen keinen Wert auf die Bekanntschaft einer mittellosen Wittib. So eine ist verdächtig, denken sie, und vielleicht muß man der noch etwas leihen. Hilde hatte uns mit dem Priester von St. Michael le Querne bekanntgemacht, wo wir zur Kirche gingen, und hatte ihn von ihrer Tüchtigkeit und Ehrlichkeit als Wehmutter überzeugt. Sie hatte ihm nämlich vorgeführt, daß sie richtig zu taufen verstand und ihm erklärt, daß sie neun eigene Kinder begraben hätte. Aber ich sah ihm zu jung aus und hatte nur ein Kind begraben, so sparte er sich seine Empfehlungen für Hilde. Ein Weilchen war ich es zufrieden, Mutter Hilde zu begleiten und als ihr Lehrling meinen eigenen Wissensschatz zu vermehren. Doch schon bald verzagte ich und blieb zu Haus, wo ich dann flickte, auskehrte, kochte und in Bruder Malachis Werkstatt herumschnüffelte.
    »Würdest du freundlicherweise den Blasebalg ein wenig stärker treten, liebes Kind? Ich brauche für dieses Verfahren mehr Hitze«, sagte er dann wohl.
    »Und was genau macht Ihr da?« fragte ich darauf.
    » Aquae regis mittels eines Verfahrens, welches als Destillation bekannt ist«, gab er zurück. »Das Feuer bringt den Geist dazu aufzusteigen, hier – und dann fängt er sich – da – und zieht nach unten und wird wieder sichtbar – genau hier.« Etwas tröpfelte in ein Behältnis.
    »Wieviel Mal muß ich dir noch sagen, daß du nichts anfaßt, Margaret? Das da zerfrißt dir die Finger.«
    »Wenigstens stinkt es nicht so wie einige von den Sachen hier drinnen. Wollt Ihr mir denn gar niemals erzählen, wozu das alles gut ist?«
    »Hmmm«, sagte er und musterte mich ernst. »Ich glaube, du kannst etwas für dich behalten. Margaret, ich bin ganz kurz davor, das Jahrhundertgeheimnis zu entdecken.«
    »Und was für ein Geheimnis ist das?« Ich wartete gespannt.
    »Das Geheimnis der Umwandlung. Wenn ich dieses Geheimnis gelüftet habe, dann kann ich niedere Metalle in Gold verwandeln. Jahrelang arbeite ich nun schon daran. Ich beabsichtige, eines Tages sehr, sehr reich zu werden.«
    Du lieber Himmel! Das war ja ein gewaltiges Geheimnis. Ich konnte mir direkt etwas darauf einbilden, daß ich darum wußte. Bruder Malachi ließ mich Geheimhaltung schwören, nicht nur wegen der großen Mengen an Gold, die wir bald im Haus haben würden, sondern auch, weil ein paar unwissende Seelen meinten, Alchemie – denn so nannte er seine Wissenschaft – könnten nur Menschen betreiben, die ihre Seele dem Teufel verschrieben hätten.
    Auf einmal machte ich mir große Sorgen. »Habt Ihr das etwa getan?«
    »Du brauchst dich nicht im geringsten zu betrüben, liebes Kind, auf den Gedanken käme ich nie. Ich möchte reich und zugleich im Besitz meiner Seele sein. Sonst hätte ich nicht viel Freude daran.«
    Als das Wetter kälter wurde, drangen immer unangenehmere Gerüche aus dem Hinterzimmer, denn das Haus ließ sich jetzt nicht mehr so leicht lüften. Als wir uns deswegen eines Tages furchtbar anstellten, sagte er, er würde uns etwas zeigen, was uns gefallen würde und wofür wir ihm sicherlich Dank wüßten. Er baute die Destille auf und machte etwas, das er ›Weingeist‹ nannte, eine klare Flüssigkeit, die sich in Brand setzen ließ.
    »Zu was um alles auf der Welt ist er nutze?« fragten wir. Als er sagte, man könne ihn trinken, probierten wir, doch er schmeckte abscheulich, außerdem lief uns danach die Nase.
    »Zu gar nichts zu gebrauchen, wie alles aus Eurem Stinkezimmer, Bruder Malachi«, schalt ich ihn.
    »Margaret, er ist auch zu anderen Dingen nutze. Du kannst ihn beispielsweise zum Saubermachen nehmen, was gewiß eher deinen Beifall finden wird.« Und als wir ihn dann hatten, benutzten wir ihn auch dazu. Bruder Malachi versiegelte einen Teil in Medizinfläschchen und verkaufte ihn mit recht gutem Erfolg auf dem Markt am Cheap.
    Am Ende erwarb ich mir doch noch eine Kundschaft, jedoch eine sehr wunderliche, die mir überhaupt nichts einbrachte. Ich schöpfte aber wieder Mut, und darum muß das hier erwähnt werden. Der Herbst war ohne

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