Die Stimme
Menschen aus, vielleicht ein Fuhrmann, trug einen rostfarbenen Kittel und die Überbleibsel einer grauen Bruch. Er lag auf seinem alten, grauen Umhang und biß die Zähne zusammen, damit er nicht vor Schmerzen schrie.
»Vernünftig. Ich hab's im Nu runter. Ihr seid hier nämlich nicht bei einem dieser gewöhnlichen Schlachtergesellen. Ich kann einen Arm oder ein Bein so schnell abnehmen, daß Ihr's kaum merkt. ›John der Blitz‹, so nannte man mich in der Armee immer.«
John der Blitz kam ohne Vorbereitungen aus, denn er trug ja schon seine blutbespritzte Schürze. Seine Helfer banden sich ihre um und hoben alsdann ihr Opfer auf den großen, hölzernen Operationstisch. Dann legten sich alle vier (und sie waren weiß Gott muskulös, wie es sich für Helfer eines Chirurgen gehört) mit ihrem ganzen Gewicht auf den Mann – auf seine Schultern, seinen Rumpf und das gute Bein –, damit er sich nicht hin- und herwand und den Chirurgen an der Arbeit hinderte. Die Brenneisen lagen schon rotglühend im Feuer und wurden von einem Lehrling überwacht. John der Blitz zog die Aderpresse fest zu, der Mann schrie, er machte sich an die Arbeit. Er war ein moderner Chirurg: nicht etwa, daß er das Bein einfach mit einem Schlag abhackte und sich dabei auf sein Glück verließ, daß er die Axt auch richtig ansetzte. Nein, er schnitt bis auf den Knochen, welchen er dann rasch durchsägte. Trotz der Aderpresse spritzte das Blut überall hin und vereinte sich mit den Flecken auf Wand und Boden, und das gräßliche Geschrei des Amputierten ließ mir das Blut in den Adern gerinnen. Im Nu hatte der Lehrling John dem Blitz das Brenneisen gereicht, und während es entsetzlich zischte und nach verschmortem Fleisch stank, stieß das Opfer einen durchdringenden Schrei aus und verlor gottseidank das Bewußtsein.
»Gut gemacht, Jungs«, verkündete John der Blitz und wischte seine Werkzeuge ab. »Ich glaube, der kommt durch. Macht den Tisch frei, als Nächste ist die Frau dran.« Die beiden muskulösen Gesellen kamen, um mich aufzuheben.
»Faßt mich nicht an, ehe ihr nicht den Tisch da abgewischt habt. Ich will nicht im Blut anderer Menschen liegen«, sagte ich.
»Frauen! Ha! Stellen sich immer an. Na gut, ich bin gern zu Diensten. Albert, wisch den Tisch ab, die Lady möchte sich das Kleid nicht schmutzig machen.« Als ich auf dem Tisch lag, fing er wieder an zu pfeifen.
»Also, Schätzchen, willst du lieber mit dem Bein dran sterben, oder ohne weiterleben?«
»Ich will damit sterben«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Richtet mir bloß das Bein ein.«
»Ein Jammer. Ohne sind die Aussichten besser«, antwortete er. »Naja, ist nicht ganz so schlimm wie bei dem anderen. Ihr könntet Glück haben, falls es nicht brandig wird.« Ich wandte den Kopf ab; ich konnte sehen, wie ein Helfer das Bein des Mannes nahm und es draußen auf einen Abfallhaufen warf. Mir wurde übel.
»Richtet es gerade ein. Ich will kein Krüppel werden.« Als er mein Bein untersuchte, ergriff ich ihn bei der Hand, so daß er mir ins Gesicht sehen mußte.
»Versprecht, daß Ihr es gerade einrichtet, was auch immer geschieht«, bat ich. Er sah überrascht aus.
»Dann bestimmt also Ihr die Behandlung selber? Frauen und ihre ewigen Wünsche! Ihr solltet Euch vor Eitelkeit hüten, junge Frau. Die bringt Euch alle so schnell ins Grab. Tief ausgeschnittene Kleider im Winter, enge Schnürleibchen. Wenn eine Frau einen Entschluß fassen muß, läßt sie sich von der Eitelkeit leiten – und geradewegs in die Arme des Todes! Also, der Bursche da drüben, der weiß, wie man sich entscheiden muß – der hat gewählt wie ein richtiger Mann, das Leben nämlich! Einrichten dauert viel länger, und für das Ergebnis stehe ich nicht grade. Vielleicht muß das Bein ohnedies ab. Ich frage Euch noch einmal – wollt Ihr weniger Schmerzen? Ich habe es im Handumdrehen runter.«
»Niemals, niemals, sag ich. Ihr richtet es mir lediglich ein, und ich spreche Euch hiermit von meinem Tod los.« Ich redete mit zusammengebissenen Zähnen, denn das Bein tat sehr weh.
»Na, dann los«, sagte er fröhlich und stocherte an dem Knochen herum. »Aber Ihr dürft mir nicht so schreien. Sonst bin ich nicht richtig bei der Sache. Einrichten ist viel schwieriger als abnehmen, und dann soll es ja auch noch grade werden.« Er gab Anweisungen, daß man ihm frischen Knochenwurz brachte und ließ dessen Wurzeln zu Brei stampfen. Leintücher wurden in der, aus der Pflanze gewonnenen
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