Die Stimme
hat, um sich von der Sünde reinzuwaschen. Das sollte reichen, glaube ich. Dergleichen legt sich, wenn man's richtig anfaßt.«
»Aber ich darf doch noch den Blasebalg bedienen?«
»Natürlich, natürlich. Morgen beginne ich mit einem äußerst heiklen und gefährlichen, neuen Verfahren. Es könnte durchaus geschehen, daß mir mein Material mit einer Stichflamme und viel Getöse um die Ohren fliegt – aber es kann auch der Zugang zum Geheimnis sein. Als ich es das letzte Mal probierte, habe ich fast das Haus niedergebrannt. Dieses Mal erwartet uns ein Goldregen! Doch du mußt sehr mutig sein –«
»Ich bin mutig, ich schwör's.« Sim schien wieder Mut geschöpft zu haben.
»Gut, wir fangen bei Tagesanbruch an. Aber ich muß dir gänzlich vertrauen können? Schwörst du?«
Sim schwor. Mutter Hilde und ich schüttelten den Kopf. Am nächsten Tag erfüllte ein eigentümlich widerlicher, schwarzer Gestank das Haus, daß selbst das Ungeziefer durch die Mauerritzen entfleuchte. Hilde und ich gingen zur Arbeit, um dem Erstickungstod zu entgehen. Hilde hatte eine neue Patientin, die Frau eines wohlhabenden Sattlers, die ihr siebtes Kind trug, was Hilde zufolge Glück brachte, und ich machte mich zu einem schäbigen Mietshaus auf der London Bridge auf, wo ich nach einer Frau sehen wollte, die Master Will, der Straßenprediger, an mich verwiesen hatte.
Die London Bridge gefällt mir: wer dort wohnt oder sein Geschäft betreibt, hält sich für etwas ganz Besonderes und flicht ständig Beweise für seine Einzigartigkeit in die Unterhaltung ein. Die Luft dort ist kalt und frisch, was gesünder sein soll, und es wirkt eigentümlich beruhigend aufs Gemüt, wenn man das Wasser mit so großer Gewalt zwischen den engen Steinpfeiler hindurchrauschen sieht, obwohl es gefährlich ist, mit dem Boot hindurchzusteuern. Und doch tun es die Bootsführer Tag für Tag, wenn auch weisere Passagiere vor der Brücke aus- und hinter der Brücke wieder zusteigen, denn so manch einer schlägt um und ertrinkt bei dem Versuch, unter der Brücke hindurchzufahren. Weil auf der Brücke Häuser stehen, ist die High Street nur zwei Dutzend Ellen breit, außer an der Stelle, wo sie sich zu einem ›Platz‹ weitet, auf dem manchmal sogar turniert wird. Das Einzige, was ich an der Brücke wirklich nicht mag, ist der Torweg zur Zugbrücke an Southwark-Ende, weil dort nämlich die abgeschlagenen Köpfe aufgespießt werden, wo sie jeden, der die Stadt von Süden her betritt, daran gemahnen sollen, daß in England auf Landesverrat der Tod steht. Immer wenn ein neuer Kopf angebracht wird, ist das so etwas wie ein Festtag, und Männer führen ihre Familien zu einem Spaziergang dorthin, daß sie ihn anglotzen und vielleicht auch ein paar Einkäufe tätigen können. Wenn die Kaufleute auf der Brücke zu sagen hätten, würden sie gern jede Woche einen neuen Kopf haben, denn das hebt ihren Umsatz.
An jenem Tag herrschte auf der High Street großes Gedränge. Marktfrauen hatten ihre Waren auf dem Umhang ausgebreitet und luden lautstark zum Einkauf ein. Im Schatten unter den Übergängen im ersten Stock gingen Taschen- und Gelegenheitsdiebe ihrem Gewerbe nach. Bettler, darunter auch verkrüppelte, alte Soldaten und Kinder, die von den eigenen Eltern verstümmelt worden waren, damit sie erbarmungswürdiger aussahen, weinten und flehten um milde Gaben um Christi willen. Wer ihnen etwas gab, wurde mit Segenswünschen überschüttet, daß es fast schon peinlich war, und von weiteren Bettlerscharen belagert. Gecken waren auf der Suche nach einer Frau, Händler und Lehrlinge drängelten sich zu Fuß entlang, während wohlhabende Kaufleute auf Maultieren sich einen Weg durch das Gewimmel auf der Straße bahnten. Als ich mich dem Platz auf der Brücke näherte, bekam ich etwas von der Unterhaltung mit, in die ein paar Lehrlinge nahebei tief versunken waren.
»Ei, der Kopf von dem Zauberer ist jetzt ganz schwarz.«
»Der war doch schon immer so; bei Zauberern, vor allem bei bösen, ist er eben schwarz – denk nur, er wollte den Prinzen verhexen!«
»Das stimmt nicht; er war noch gar nicht schwarz, als sie ihn aufgespießt haben, nur ein bißchen eingefallen. Du kannst mir glauben, der ist erst hinterher schwarz geworden.«
»Naja, und jetzt fällt er auseinander. Wenn sie alt sind, sehen sie alle gleich aus. Bloß die neuen sind interessant.«
»Stimmt, wenn erst mal die Augen raus sind, ist nicht mehr viel an ihnen dran.«
Weitere Überlegungen wurden durch
Weitere Kostenlose Bücher