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Die Stimme

Titel: Die Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Ihr nicht einen Liebestrank für sie zubereiten, daß ihr herzloser Liebster um ihre Hand anhält?«
    »Ach, liebe Frau«, erklärte ich geduldig, »das ist Schwarze Kunst und für Quacksalber, die sich mit Magie abgeben. Wir wissen nicht, wie man das macht. Wir bereiten Tees für Halsschmerzen zu.«
    »Ach, natürlich könnt Ihr das, ich brauche ihn doch so dringend. Da. Ich habe euch die Ersparnisse meines ganzen Lebens mitgebracht.« Sie öffnete eine Börse, in der es golden schimmerte. Sehr merkwürdig bei einer armen, alten Frau, dachte ich.
    »Gut, meine Lieben«, sagte sie und wischte sich die Augen, »wenn Ihr ganz und gar nicht wollt – ach, o weh, wo ist Euer Abtritt? Ich bin so alt, meine Blase tut es nicht mehr richtig.«
    »Den zeige ich Euch gern«, sagte ich und führte sie durch das Hinterzimmer zu dem kleinen Raum hinten am Haus, der sich in eine Grube im Garten entleerte. Als wir durch Bruder Malachis Stinkezimmer gingen, sah sie sich gründlich um. Es sah wie ein gewöhnliches Zimmer aus.
    »O, was ist denn in dem Krug da?« fragte sie mit unschuldig klingender Stimme.
    »Honigbonbons für Kinder, die Husten haben. Sie mögen nämlich nichts, was schlecht schmeckt.«
    »Darf ich einen?« Als ich ihr den Bonbon holte, sah sie sich die anderen Krüge an und roch daran. Dann steckte sie sich das Stückchen in den Mund und verrichtete ihr Geschäft. Ich wartete in Bruder Malachis Zimmer auf sie und führte sie dann zur Tür.
    »Schon wieder so jemand!« rief Mutter Hilde aus. »Zuerst wollen sie ein Pulver zum Abtreiben und dann einen Liebestrank! Als nächstes fragen sie noch nach Kerzen aus Menschenfett und Händen von ungetauften Kindern! Was hat das alles zu bedeuten? Hoffentlich kommen wir nicht in einen schlechten Ruf! Kaum zu glauben, aber da scheint jemand zu meinen, daß wir uns hier mit Schwarzer Magie befassen.«
    Ich dachte sehr, sehr gründlich nach. Es reimte sich alles zusammen.
    »Hilde, ich glaube, es steht sehr schlecht. Jemand versucht, Beweise gegen uns zu sammeln. Beweise für Hexerei.«
    Aber die Tage gingen ins Land, und nichts geschah. Da verscheuchte ich meine Sorgen. Das Geschäft lief immer besser. Seit ich die reiche Dame behandelt hatte, war ich nicht nur bei werdenden Müttern bekannt, sondern auch bei Leuten von Welt. Mittlerweile hatte ich mehrere wohlhabende Patienten, denen ich die Hand auflegen mußte. Aber natürlich ist man mit einer Glückssträhne nie zufrieden. Ich beklagte mich bei Hilde:
    »O Hilde, alles gut und schön, daß man von alten, häßlichen Leuten hohe Honorare bekommt, aber lieber würde ich schönen, rosigen Kindern auf die Welt helfen.«
    »Man soll sein Glück nie bereden, Margaret, liebes Mädchen«, sagte die alte Frau, ohne auch nur von ihrer Flickarbeit aufzublicken. »Du könntest es verjagen.«
    Doch Fortuna machte keine Miene, uns zu verlassen. Eher hatten wir noch mehr Glück, als nämlich ein gut gekleideter kleiner Lehrling auftauchte und bat, ich möge seinen Herrn in seinem großen Haus am Fluß behandeln. Und so zählte denn schon bald ein alter Kaufmann zu meinen regelmäßigen Patienten, der so reich war, daß allein von seinen Honoraren der ganze Haushalt leben konnte. Er gehörte zu jener Sorte von Nörglern, welche Ärzte schätzen, denn sie werden nie gesund und sterben auch nicht – und müssen ständig behandelt werden. Dieser nun hatte Gicht. Die Anfälle machten ihn beinahe zum Krüppel, aber vernünftig leben, damit sie aufhörten, das wollte er nun auch wieder nicht. Stattdessen schickte er nach mir, damit ich ihn von den Schmerzen befreite, und verfiel alsbald wieder in seine schlechten Gewohnheiten. Da lag er dann wohl wie ein Frosch, hatte sich die Kissen auf seinem großen Himmelbett in den Rücken gestopft und seinen elenden, geschwollenen Fuß auf einem gestickten Polster hochgebettet.
    »Seht Ihr denn nicht ein, daß die Anfälle aufhören würden, sowie Ihr Euch nicht mehr mit all dem üppigen Essen vollstopft und Wein trinkt«, sagte ich dann wohl.
    »Aufhören? Es war ein hartes Stück Arbeit, bis ich so reich war, daß ich mir all diese Annehmlichkeiten leisten konnte. Ei, als ich jung war, bin ich viele Male hungrig zu Bett gegangen, und das habe ich nie wieder vor.«
    »Zumindest aber«, beschwerte ich mich, »solltet Ihr nicht essen und trinken, während ich Eurem Fuß die Hände auflege, Master Kendall.«
    »Was? Nicht essen und trinken? Legt einfach Eure hübsche, kleine Hand dorthin, meine Liebe«,

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