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Die Stimme

Titel: Die Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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(und er deutete mit einem Lammkottelett) »genau dort, wo es am meisten wehtut.«
    Kinder zu entbinden ist viel leichter, als störrische, alte Männer von ihren Lastern zu befreien!
    So ging es eine Zeitlang, denn bei Master Kendall versagte ich als Heilerin, bis Fortuna, die nur den richtigen Augenblick abgewartet hatte, vernichtend zuschlug.
    Es war ein unvergleichlicher Morgen, Pfingsten lag noch nicht lange zurück, als ich von einer Nachtwache bei einer Frau in der Watling Street nach Haus kam. Der Himmel war ganz rosig und lieblich und ich fröhlich wie ein Vogel, als ich bei unserer Haustür anlangte, denn es war alles gut gegangen, und in der Börse an meinem Gürtel trug ich ein Honorar. Zu meiner Überraschung sah ich Vater Edmund um diese merkwürdige Stunde einem schwarzen Schatten gleich vor der Haustür stehen und klopfen.
    »Vater Edmund, was macht denn Ihr hier?« Er drehte sich erschrocken um und sah schuldbewußt aus.
    »O, Margaret, da seid Ihr ja! Ich kann niemand im Haus wachbekommen.«
    »Weil niemand zu Haus ist, Vater Edmund, aber jetzt bin ich ja da.«
    »Euch wollte ich auch aufsuchen, Margaret. Ich bin hier, um Euch zu warnen.« Wieder blickte er verstohlen die Gasse entlang und zur Straße hin.
    »Mich zu warnen? Wovor?« fragte ich erschrocken.
    »Kommt hinein«, sagte er und lud mich in mein eigenes Haus ein. Als wir dann am abgedeckten Feuer saßen, sagte er etwas sehr Seltsames.
    »Margaret, was wißt Ihr von Eurem Katechismus?«
    »Ja, das was jedermann weiß, daß Gott Himmel und Erde geschaffen –«
    »Nein, nein, ich meine von den Sakramenten.«
    »Ja, durch die Worte des Priesters verwandelt sich die Hostie in den wahren Leib Christi –«
    »Das reicht – aber was ist mit der Würdigkeit des Priesters?«
    »Es ist nicht wichtig, ob er würdig oder unwürdig ist, wenn nur die Worte richtig gesagt –«
    »Auch gut.« Und so ging es fort und fort, er berichtigte und fragte, und seine Augen blickten verzweifelt.
    »Was um Himmels willen stimmt nicht, Vater Edmund? Ich bin eine gute Christin«, sagte ich ängstlich.
    »Daran zweifle ich keinen Augenblick, Margaret, andere jedoch. Ihr habt den Neid geweckt, von dem ich sprach, und jemand, wer, das weiß ich nicht, hat Euch beim Bischof angezeigt. Ihr könnt noch von Glück sagen, daß der König die Inquisition in England nicht frei walten läßt.«
    »Inquisition? Was ist das?«
    »Mehr darf ich nicht erklären. Ich habe schon zuviel gesagt. Ich habe alles aufs Spiel gesetzt. Wenn Ihr mich wiederseht, dann tut um Christi willen so, als ob Ihr mich nicht kennt.« Er ergriff meine Hände und sah mich durchdringend an. »Ich sorge dafür, daß Ihr gerettet werdet, falls es Gottes Wille ist. Ich weiß, daß Ihr eine christliche Frau seid und vielleicht sogar noch mehr.« Damit schlüpfte er verstohlen aus der Tür und hastete in eine andere Richtung davon, damit er nur ja nicht gesehen wurde.
    Ich war sehr durcheinander und beunruhigt. Ich hatte keiner Seele etwas zuleide getan. Ich bemühte mich, Gutes zu tun und die Wahrheit zu sagen. Warum brachte das wohl Vater Edmund so außer sich? Lange mußte ich mich nicht beunruhigen, denn kaum hatte ich das Feuer entfacht und einen Topf aufgesetzt, da klopfte es auch schon an die Tür. Mit dem Klopfen hat es etwas Eigenartiges auf sich. Manch eines ist fröhlich. Manches ängstlich. Dieses war unheilverkündend. Wenn doch nur jemand – jemand sehr Starkes, vielleicht ein Hüne mit einem riesigen Knüppel – hinter mir gestanden und mir geholfen hätte, als ich die Tür aufmachte. Vor Angst drehte sich mir der Magen um, als ich den Riegel wegschob. Ein Gerichtsbote und zwei Büttel standen im Frühlicht vor der Tür. Freundlich sahen sie nicht gerade aus.
    »Seid Ihr die Frau, die sich Margaret von Ashbury oder Margaret die Wehmutter nennt?« Ich wußte, was sie hergeführt hatte. Die Knie fingen mir an zu zittern. Wenn ich gekonnt hätte, ich hätte mich erbrochen. Mein Mund war ganz trocken, als ich zu sprechen versuchte.
    »Die bin ich.«
    »Dann seid Ihr die Richtige. Kommt mit.« Sie packten mich bei der Schulter und zerrten mich grob von der Tür weg. Ich zitterte wie Espenlaub, als sie mir Handschellen anlegten.
    »I-ich laufe schon nicht weg. D-das m-müßt Ihr nicht tun«, stammelte ich.
    »Ihr seid eine gefährliche Frau. Es könnte Euch ja jemand entführen wollen. Wir sind gewarnt, uns führt Ihr nicht hinters Licht.« Einer der Büttel klopfte auf das Heft des Kurzschwertes,

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