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Die Stimme

Titel: Die Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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gegeben. Es gibt nur zwei Männer, die es gewesen sein können. Beide spezialisieren sich auf die Behandlung von reichen Frauen. Du hast ihnen das Geschäft verdorben.«
    »Ihr meint also, es ging dabei – ums Geschäft?«
    »Wenn es um Geld geht, wird hoch gespielt. Ich weiß Bescheid. Ich habe selbst auch viel eingesetzt und auch viel einstecken müssen, doch ausgeteilt habe ich auch.« Seine Augen wurden schmal, und ich hoffte um seiner Seele Seligkeit willen, er würde nie herausfinden, welcher von beiden es war.
    »Schlimme Gedanken schaden Eurer Gesundheit«, mahnte ich ihn, und er lächelte sein komisches Lächeln und sagte:
    »Bravo, das klingt fast wie in alten Zeiten.«
    Danach fingen meine Gedanken an zu wandern, und später erzählte man mir, daß ich nicht einmal mehr Hilde erkannte, als sie eintraf. Jetzt wurde mein Mann richtig besorgt und schickte auf der Stelle nach dem Doktor und einem Priester. Und dieser Priester war Vater Edmund.
    Ich wußte, daß Leute um mich herumstanden. Sie sahen wie Schatten aus, die um das Bett herumschwebten, und ich konnte nicht ausmachen, wer sie waren. Sie sahen anklagend aus, diese Schatten, und so entschuldigte ich mich bei ihnen:
    »Es tut mir leid, daß sie tot sind. Ihnen war nicht zu helfen. Früher hatte ich eine Waffe, aber die ist weg. Der Kopf ist zu groß, zu groß –«
    »Ich sag ja, so geht es. Sie glaubt, sie ist in Wochenstuben.
    Manchmal sagt sie, daß sie ohne Flügel fliegt und andere Phantastereien. Sie – sie wird auch nicht mehr Licht. Ich hatte vorgehabt, Euch zu einem festlichen Abendessen zu laden, Vater, nicht zur letzten Ölung.«
    »Margaret, meine Tochter, wißt Ihr, wer ich bin?« fragte eine Männerstimme. Jemand tat mir etwas Kaltes und Nasses aufs Gesicht. Es biß und roch furchtbar. Genau wie im alten Haus.
    »Hilde? Wo ist Hilde?« fragte ich. »Habt Ihr nicht nach ihr geschickt?«
    »Ich bin hier, Margaret. Das ist eine Arznei von Dottore Matteo.«
    »Sie riecht gräßlich, Hilde, genau wie das Stinkezimmer. Ich bin nämlich wieder krank geworden, Hilde.«
    »Ich weiß, und ich bin ja da und helfe dir.«
    Allmählich verschwamm nicht mehr alles. Da stand Vater Edmund und sah düster aus. Ich merkte, er hatte seine Robe ausgezogen und sich die Stola umgelegt. Der Knabe mit der Kerze trug das Öl. Neben dem Bett war ein Tischchen aufgestellt worden, auf dem zwei Kerzen brannten, dann lag da noch ein Eibenzweig, ein Handtuch und andere Dinge, die er benötigte.
    Vater Edmund ergriff meine Hand.
    »Margaret, Margaret, es tut mir leid, daß ich Euch das angetan habe. Ich mußte es tun. Ich mußte Euren Willen brechen. Und das schnell, ehe Ihr noch mehr sagen konntet. Wenn man Euch dazu verleitet hätte zu sagen, was Ihr denkt, dann hätten sie Euch die Worte im Munde umgedreht und Ihr wärt unrettbar verloren gewesen. So geht das bei diesen Befragungen; Männer wie die da brauchen nicht zu foltern, um jemanden ans Messer zu liefern. Ich wollte Euch retten, doch ich habe Euch zerstört. Ich dachte, es wäre gut so.«
    »Gut? Genau wie ich also.«
    »Genauso.«
    »Ich wollte nie unwissend sein.«
    »Das habe ich immer gewußt. Aber ich mußte Euren wunden Punkt treffen.«
    »Das habt Ihr.«
    »Ich war begierig, Euch zu retten. Zu begierig. Die da konnten keinen richtigen Fall zusammenbekommen. Beweise gab es nicht, außer der Todesurkunde. Als ich David fand, da wußte ich, ich hatte sie in der Tasche. Ich wollte Euch nicht loslassen. Ihr seid nämlich ein Original. Besser als der wundertätige Pfannkuchen.«
    »Der wundertätige Pfannkuchen?« knurrte mein Mann. »Davon habe ich schon gehört – man ist mich gerade um eine Spende für einen Schrein angegangen. Natürlich habe ich gespendet. Ich spende immer für Schreine.«
    »Vater Edmund«, fragte ich, »hat es seit dem Pfannkuchen weitere wundertätige Manifestationen gegeben?«
    »O ja, mehrere. Den Glühenden Knochen, das Schwimmende Schwert – doch das war eine abgekartete Sache, ein Scharlatan hatte es für Geld gemacht –, außerdem gibt es noch den Fußabdruck des Engels und den Daumennagel des Gehängten. Letzterer wurde von mir als Fall von Schwarzer Magie entlarvt. In London ist um diese Jahreszeit viel los, auch wenn es nicht Frühling ist.«
    Man stopfte mir noch ein Kissen in den Rücken und zog mich hoch, daß ich besser sehen konnte. Die Bettücher kamen ins Rutschen, Gold glitzerte.
    »Ich sehe, daß Ihr immer noch das Brennende Kreuz tragt. Jetzt würde ich

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