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Die Stimme

Titel: Die Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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zuviel herunter. Lieber die Binsen auskehren.«
    »Wie du wünschst«, lächelte ich. Er schüttelte verwundert den Kopf und lächelte sein komisches, schiefes Lächeln.
    Aber viel hatte er nicht gegen die Veränderungen im Haus einzuwenden. Er sagte, es mache genausoviel Spaß wie ein neues zu bauen, dazu noch ohne den Ärger und die Kosten eines Umzugs.
    Nicht lange danach stellte ich fest, daß ich schwanger war. Als ich ihm das sagte, geriet er ganz außer sich.
    »Du hast mir ein neues Leben geschenkt, ein zweites, auf das ich nach dem Ende meines ersten nie zu hoffen gewagt hätte«, sagte er an jenem Morgen zu mir. Was für eine Freude, der Welt zu zeigen, daß er noch ein Mann war. Er verpaßte aber auch keine Gelegenheit, diese Tatsache in die Unterhaltung mit jedem Mann, den er traf, einfließen zu lassen. Und so kam es, daß man sich überall in der Stadt das Maul darüber zerriß, und er mußte sich so manche Neckerei gefallen lassen, was er aber unbesehen als Kompliment auffaßte.
    »Aber bist du auch nicht böse, wenn es kein Junge ist?« fragte ich ihn.
    »Ich habe bereits Söhne, und die sind eine Enttäuschung. Probieren wir es also mal mit etwas anderem. Was für ein Kind wir beide auch bekommen, ich freue mich darüber.«
    Es stimmte, daß er sich um seine Söhne grämte. Sie waren schon erwachsen. Der älteste, Lionel, war fünfundzwanzig, und der jüngere, Thomas, zweiundzwanzig. Sie wiesen nur wenige der guten Charaktereigenschaften ihres Vaters auf. Das schrieb ich dem Verhätscheln durch ihre Großmutter zu, vor allem während Kendalls Abwesenheit, als sie klein waren. Sie vertaten ihr Leben und sahen in ihrem Vater nur eine Geldquelle. In dem Gewerbe, das er sie hatte lernen lassen, hatten sie versagt. Thomas lebte jetzt in einem Mietszimmer über einer Schenke und brachte seine Tage beim Würfelspiel zu. Lionel, sein ältester Sohn, lebte bei seiner Geliebten, einer unangenehmen, habgierigen Person. Ich kannte sie von früher. Einst sollte sie eine Favoritin des Grafen von Northumberland gewesen sein, ehe sie verblühte. Sie hatte sich eine Abtreibung bei einer alten, unkundigen Wehmutter verschafft, die ich kannte und die das dunkle Pulver unvorsichtig angewendet und sie beinahe umgebracht hatte. Und danach war sie in der Tat ein paar Monate wahnsinnig gewesen. Kendall hatte beide schon oft vor Gericht losgekauft – als sie bei einer Schlägerei in einer Schenke einen Mann umgebracht oder als sie einen Mönch in einen Dunghaufen geworfen hatten – so wie er ihnen die Bestrafung erspart hatte, wenn sie als Kinder in der Kirche Handball gespielt oder ein Fenster eingeworfen hatten.
    Mein Mann saß oft da und brütete darauf herum. Dann gab ich ihm wohl einen Kuß auf den Nacken, damit er davon abließ, und er fuhr zusammen, blickte auf und sagte zu mir:
    »O Margaret, wenn sie doch nur dich zur Mutter gehabt hätten, dann wäre mehr aus ihnen geworden.« Und dann streichelte er wohl meinen Leib mit dem schwellenden Leben darin und lächelte traurig.
    Er erzählte mir, daß er früher gedacht hätte, alle Knaben machten Streiche und würden sich am Ende besinnen und ihre Pflichten wie ein Mann auf sich nehmen. Seine Jungen waren nicht nur aus der Schule ausgerückt, sie hatten auch noch den Stock des Lehrers über dessen Rücken zerbrochen. Er hatte versucht, sie bei einem Zunftbruder in die Lehre zu geben, wo sie sich als unheilbar faul und als Störenfriede erwiesen. Den Ältesten hatte er mit einem Handelsschiff zur See fahren lassen und gehofft, daß er dabei sein Gewerbe lernte; stattdessen lernte er lediglich mehr über Lasterhaftigkeit.
    Eines Tages im Frühling, als alles grünte und blühte, rief er mich in sein Kontor, wohin ich selten kam. Er seufzte tief und sagte:
    »Ich habe einen Entschluß gefaßt, Margaret. Dieses Haus, mein Anwesen auf dem Lande und mein persönlicher Besitz gehen an dich und unser Kind, oder, so Gott will, unsere Kinder. Allein von den Einkünften meines Gutes könnt ihr alle sorglos leben. Mein Lager, meine bewegliche Habe und alles, was ich im Auftrag anderer verkaufen soll, ist zu verkaufen. Einen Teil davon hinterlasse ich als Geschenk an meine Diener, Freunde und Gönner. Die große Endsumme, die übrigbleibt, geht an dich und die Kinder, die wir haben. Ich habe Master Wengrave zu ihrem Vormund bestellt, er übernimmt auch meine Lehrbuben. Ich weiß, daß du Vertrauen zu ihm hast, Margaret, und er eignet sich gut zu deinem Beistand. Auch wenn ich der

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