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Die Stimme

Titel: Die Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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mir aus und fragte leise: »Noch einmal?«
    »Noch einmal und immer wieder«, murmelte ich und barg mein Gesicht an seinem Hals. Und wenn das erste Mal schon rauschhaft war, so wurde es vom zweiten noch übertroffen. Wir schliefen zusammen ein, ruhten umschlungen wie Liebende es tun.
    Ein verirrter Sonnenstrahl hatte den Weg durch die schweren Bettvorhänge gefunden und beleuchtete den bloßen Rücken meines Mannes über der Bettdecke. Er erschien mir schön – die blasse Haut über den Schulterblättern, die gerade aufsteigende Reihe der Rippen, die sich rundeten, wo er sich zusammengerollt hatte. Alles sah so viel lieblicher aus, als die grüne Erde nach einem sommerlichen Gewitter. Was für schöne Vorhänge, was für eine interessante Bettdecke! Und was für ein erstaunliches Wesen lag da neben mir im Bett – jemand, der mich so sehr mochte, daß er mir den Schatz der Liebeslust erschlossen und mir die Geheimnisse meines eigenen Herzens gezeigt hatte.
    »Gewiß«, sinnierte ich vor mich hin, »ist das die Art von Heirat, für die Gottes Segen gedacht ist. Nicht die andere. Wie üblich, haben die Menschen einen Fehler gemacht.«
    Mein Mann bewegte sich, drehte sich um, sah mich neben sich im Bett sitzen und lächelte. »Du bist eine sehr ungewöhnliche Frau«, sagte er. »Ob du wohl weißt, wie ungewöhnlich?« Ich küßte ihn, und er erwiderte den Kuß. Und schön bald befanden wir uns wieder in jenem Zustand der Seligkeit, den wir am Abend zuvor erlebt hatten.
    »Margaret, du bist eine unglaubliche Frau. Du hast mir meine Jugend wiedergegeben«, sagte er und staunte mein Gesicht an.
    »Und du hast mich etwas gelehrt, wovon ich nicht wußte, nicht die leiseste Ahnung hatte, daß es existierte«, raunte ich ihm ins Ohr.
    Er schickte nach dem Frühstück, und wir tranken aus einem Becher. Den ganzen Tag über blieben wir im Bett, redeten und liebten uns von Zeit zu Zeit und die ganze Nacht hindurch aufs Neue.
    »Soll so die Ehe sein?« fragte ich ihn am zweiten Morgen.
    »In der Regel nicht Tag und Nacht, aber ungefähr schon«, sagte er glücklich.
    Es stimmte, am Ende mußten wir die Bettvorhänge öffnen und wieder in die Welt zurückkehren, denn es gibt immer viel zu tun. Aber jetzt genoß ich die Freundschaft und das herzliche Verständnis, welche die Ehe, die wahre Ehe, zu einem gesegneten Stand machen. Kendalls Haus war groß, und es dauerte seine Zeit, bis ich gelernt hatte, es zu führen. Außerdem hatte ich mir Dinge in den Kopf gesetzt, die viel Ärgernis erregten. Ich ließ die Dienerschaft das Haus von oben bis unten schrubben, denn in der Zeit von Kendalls Witwerschaft waren sie schlampig geworden. Die Abtritte an der rückwärtigen Mauer des Hauses waren stinkende Löcher: wir holten uns jemand, daß er sie säuberte, da sich kein Hausdiener dazu bereit fand. Wir renovierten die Vorratsräume, so daß kein Ungeziefer mehr eindringen konnte; und ich setzte dort eine fette, alte, getigerte Katze mit ihren Jungen hin, denn ich kann Ratten nicht ausstehen. Was sie nicht fressen, besudeln sie – und darin erinnern sie mich an einige menschliche Kreaturen…
    »Ich muß mit dir reden, Hausfrau. Du gibst immense Summen für neue Binsen aus. Obendrein noch süß duftende Kräuter! Selbst Leute, die sich anstellen, wechseln sie nur vier-, fünfmal in zwölf Monaten, und du kehrst sie ständig wieder hinaus.«
    »In den Binsen verbergen sich Ratten und Ungeziefer. Ich kann Ratten nicht ausstehen.«
    »Die Welt ist voller Ratten und Ungeziefer. Ertrage sie und laß sie leben, damit ersparst du dem Haushalt viel Arger.«
    »Sie können ja anderswo leben, wenn sie wollen. Hauptsache, nicht bei mir. Außerdem ist mir eine wunderbare Idee gekommen. Hast du schon mal diese schönen Teppiche mit den eingewebten märchenhaften Pflanzen und Ungeheuern gesehen, welche Ausländer sich auf den Fußboden legen? Wenn wir sowas hätten, wäre das nur eine einmalige Ausgabe.«
    »Und was für eine Ausgabe – davon kann man hundert Jahre Binsen kaufen! Möchtest du nicht lieber Geschmeide haben? Frauen lieben doch Geschmeide. Ich könnte dich damit überschütten.«
    »Ich würde lieber mit einem sauberen Fußboden überschüttet, geliebter Hausvater. Wenigstens in unserem eigenen Zimmer, ja?«
    »Ich werde nach Venedig schreiben«, antwortete er mit einem Lächeln.
    »Und für das schöne Zimmer, das auf den Garten geht?«
    »Dafür auch.«
    »Und für die Diele?«
    »Jetzt ist aber Schluß. Vom Tisch fällt einfach

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