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Die Stimme

Titel: Die Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Kirche eine große Summe für ständige Seelenmessen vermache, bist du immer noch eine wohlhabende Wittib – eine der wohlhabendsten in London, Margaret.«
    »Ach Gott, lieber Hausvater, redet mir nicht davon, ich will keine Wittib sein, ob nun wohlhabend oder nicht. Ich möchte mit dir gehen. Ohne dich kann ich nicht leben, merkst du das denn nicht?« Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen.
    »Margaret, Margaret, du bist viel zu jung, als daß du so sprechen dürftest«, sagte er sanft und wischte mir die Augen wie einem Kinde. »Hör gut zu, was ich dir sage, denn ich denke nur an dich, und es ist zu deinem Besten. Du mußt dich um unser Kind kümmern, Margaret; ich habe dich lieber, als ich sagen kann, und die Welt ist sehr schlecht.« Ihm zuliebe bemühte ich mich zuzuhören, aber eine Unterhaltung über Testamentsbestimmungen macht mich abergläubisch, obschon wir das alle eines Tages tun müssen.
    »Margaret, ich will dir damit sagen, daß ich meine Söhne enterbt habe. Ihre Ausschweifungen und Verbrechen haben mir nur Kummer bereitet, und ich habe das ihnen zustehende Erbe bereits mehrmals ausgezahlt, um sie aus der Patsche zu holen. Früher glaubte ich, sie würden sich bessern; doch sie haben mit ihrem anstößigen Lebenswandel nichts als Schande über mich gebracht. Ich hinterlasse beiden eine kleine Summe unter der Bedingung, daß sie sich anständig aufführen – weiß Gott mehr als ich zu Anfang hatte –, die bei ihnen aber zweifellos nur für eine mehrtägige Zechtour reichen wird. Damit dürften sie ständig vor Gericht zu tun haben, daß sie ihre Tugend unter Beweis stellen, um an das Geld zu kommen – und das hält sie vielleicht davon ab, dich zu belästigen.«
    »Gewiß hinterläßt du ihnen zu wenig«, sagte ich.
    »Nicht wenig genug!« sagte er zutiefst verbittert und starrte mich böse an. Als er sah, wie ich zurückfuhr, lächelte er verhalten und sagte etwas, das ich damals nicht verstand:
    »Wenn dir etwas zustößt, oder wenn unsere Kinder ohne Anlaß sterben, fällt alles, was sich meine Söhne erhoffen können, an die Kirche.« Ich blickte ihn fragend an. Sein Lachen war grimmig. »Man muß nur einen gierigen Hund auf den anderen hetzen. Damit dürften sie für eine Weile mit Schreinen versorgt sein.«
    Ich war jetzt riesig und konnte kaum noch laufen. Hilde kam oft auf Besuch und erzählte mir dann den ganzen Stadtklatsch aus dem Blickwinkel der Wehmutter sozusagen. Welches Kind aber auch gar keinem Verwandten ähnlich sah, welches mit einer Glückshaube geboren war oder sonst mit einem ungewöhnlichen Mal, und welch seltsame Vorkehrungen man in welchem Haushalt für ein Neugeborenes getroffen hatte. Ich genoß es, denn damit versetzte sie mich wieder in die alten Zeiten zurück, nur daß sie im Nachhinein rosig und problemlos schienen. Bruder Malachi machte gute Geschäfte mit Pestarzneien. Er konnte sie verkaufen, ohne die Stadt verlassen zu müssen, worüber Hilde glücklich war. Anscheinend findet man immer eine gute Ausrede, wenn eine Pestarznei nicht wirkt. Außerdem gibt es keinen wütenden Kunden mehr, der einem die schlechte Ware in den Hals stopfen möchte.
    »Und er ist dem Geheimnis dieser Tage furchtbar, furchtbar nahe gekommen. Er sagt, aus dem ersten Gold macht er mir eine Krone als Lohn für meine Geduld. Er ist närrisch, aber er meint es so gut!«
    »Seine Geräte?« fragte ich ein wenig erschrocken. »Ist etwas durchgesickert?«
    »Ach, mach dir keine Sorgen. Bei Tage brennt er Weingeist, das dient ihm als Ausrede. Bei Nacht forscht er nach dem Geheimnis. Der Weingeist verkauft sich gut – als Medizin. Er redet den Leuten ein, daß er beinahe überall hilft, und ob das nun stimmt oder nicht, fast jeder holt sich nach.«
    »Aber schläft er denn gar nicht mehr?«
    »Wenn er bei Tage arbeiten muß, braucht er gewöhnlich ein Nickerchen. Aber so geht das allen erhabenen Geistern«, sagte Hilde selbstgefällig. Dann befühlte sie meinen Bauch.
    »Das Kindchen hat sich schon hübsch gesenkt. Nur noch ein paar Tage, liebes Mädchen.«
    Drei Abende später setzten mächtige Wehen ein; beim Blasensprung ergoß sich das Wasser ins Bett.
    »Schick nach Hilde!« keuchte ich und rüttelte meinen Mann an der Schulter. Alles stand bereit, als sie eintraf, der Feuerschein fiel auf eine neue Wiege, und der kleine Zuber thronte neben der Feuerstelle. Sauberes Leinen und Wickelbänder waren bereitgelegt. Hilde hatte den Gebärstuhl rübergebracht, denn wir hatten

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