Die Stimme
hatte. In seiner vollkommen schwarzen Trauerkleidung war er ein finsterer Geselle. Mit großen Schritten durchmaß er das Zimmer und nahm das Messer seines Bruders mit einer beinahe zärtlichen Geste von ihrer Kehle weg, dann schlug er Margaret jäh brutal ins Gesicht. Sie blinzelte, versuchte, die Tränen zu unterdrücken, und starrte ihn verständnislos an.
»Verschwende keine Zeit mit Abstreiten. Wir wissen von dem Komplott. Du wolltest das echte Testament verstecken und eine Fälschung unterschieben. Man hat dich und deinen Liebhaber dabei gesehen.«
»Meinen Liebhaber?« rief Margaret außer sich, »ich habe keinen Liebhaber.«
Beide Brüder stießen ein heiseres Lachen aus. Lionel höhnte:
»Uns lügst du nicht an, du fromme, kleine Heuchlerin, so wie du es bei Vater geschafft hast. Du bist die ganze Zeit doch nur hinter seinem Geld hergewesen; das haben wir gewußt und dich beobachten lassen. Du bist mit Papieren gesehen worden, welche dieser schmierige Klosterbruder, mit dem du geschlafen hast, für dich geschrieben hat.«
»Nie, nie und nimmer habe ich sowas getan. Es ist gemein von Euch, mir das vorzuwerfen, wo Euer Vater eben erst unter der Erde ist.«
»Du willst also abstreiten, daß man dich mit Papieren gesehen hat? Uns führst du nicht hinters Licht. Wir wollen sie haben, noch ehe die Nacht um ist. Wo sind die Papiere?« Lionel hatte sein Messer gezogen, und es glänzte tückisch, als er die Spitze sacht, ganz sacht über Margarets Kehle zog, wo sie eine schmale, rote Spur wie ein dünner Kratzer hinterließ. Inmitten dieser entsetzlichen Ereignisse ging Margaret jäh auf, was sie meinten. Jemand hatte ihnen von ihrem Buch erzählt. Was nutzte da alle Erklärungen – sie würden ihr keinen Glauben schenken. Und wenn, dann würden sie in ihrer Wut über den Fehlschlag das Buch vernichten. Sie sah sie direkt vor sich, wie sie lachten und sich die Seiten laut vorlasen, eine nach der anderen, während sie diese vor ihren Augen dem Feuer übergaben. Nie und nimmer würde sie das Versteck verraten. Ihr Blick suchte verzweifelt nach Hilfe, aber es gab keine. Lionel merkte, wie sich ihr Ausdruck flüchtig veränderte, und ein schiefes Grinsen, eine finstere Karikatur von seines Vaters gewinnendem Lächeln, verzerrte seine Züge.
»Aha! Du weißt sehr wohl, wo es ist. Unser Vater hat uns alles hinterlassen, und das weißt du. Am Ende hat er doch noch herausgefunden, was du für eine bist.«
»Ja«, kam Thomas dazwischen. »Wir haben ihn gewarnt. Dann haben wir versucht, ihn vor sich selbst zu bewahren, diesen senilen, alten Narren, doch jemand hat das Gift gefunden, und du bist noch einmal davongekommen, du hartnäckige, kleine Ratte, du.«
»Aber jetzt ist es zu spät für dich. Rede, oder ich schneide dir auf der Stelle die Kehle durch«, sagte Lionel lächelnd und legte ihr die Klinge quer über den Hals.
»Ich habe keine Angst vor dem Tod«, sagte Margaret, »macht nur. Ich habe darum gebetet, sterben zu dürfen. Stecht nur zu.« Sie drehte den Kopf, so daß die Arterie unterhalb ihres Ohres unter der Messerklinge pochte.
Thomas hatte zugesehen, und dabei war ihm ein Gedanke gekommen.
»Vielleicht hast du ja wirklich keine Angst vorm Sterben, aber ich könnte mir vorstellen, daß du es gar nicht so gern siehst, wenn hier, bevor du gehst, so ein niedlicher, kleiner Finger abgehackt wird. Wo sind die Bälger, die nie versohlt werden?«
»Um Gottes willen, rührt sie nicht an!« schrie Margaret verzweifelt. »Ich sage Euch ja alles!« Ganz außer sich wand sie sich im Griff der bewaffneten Männer.
»Also«, sagte Lionel mit einem triumphierenden Hohnlächeln, »wo ist nun das Testament?«
»Ich habe es nicht da.«
»Dann hast du es deinem Liebhaber gegeben?«
»Ja, ja, ich habe alle Papiere Bruder Gregory gegeben.«
»Und wo ist der jetzt?«
»Weiß ich nicht – er ist weg und hat gesagt, er würde wiederkommen.«
»Du weiß es also nicht? Bruder, ich glaube, sie lügt«, sagte Thomas. In diesem Augenblick klopfte es an die Tür im Untergeschoß.
»Geh einer hin!« brüllte Lionel seinen Männern dort unten zu. Einer stand von seinem Platz am Feuer auf, wo er sich hingefläzt und Kendalls Ale zugesprochen hatte. Als er mühsam hochkam, stolperte er über Lion, der auch am Feuer gelegen hatte.
»Verdammichter Köter«, sagte er und versetzte ihm einen Tritt, der ihn gegen die Wand schleuderte. Als er die Haustür aufmachte, um nachzusehen, wer dort war, sauste Lion aufjaulend nach
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