Die Stimme
ein, was du anstatt Ehre auf dem Schlachtfeld einzulegen, tun könntest? Möchtest du denn so leben?«
»Nicht ganz so, nein, ganz und gar nicht. Ja, wohl kaum. Zumeist arbeite ich als Kopist für – hmm – einen sehr wohlhabenden Kaufmann. Und zwischendurch meditiere ich. Ist Euch der Name Roger Kendall ein Begriff?«
Mitten im Satz war Bruder Gregory aufgegangen, daß Kopieren für die Frau eines Kaufmanns nur Sir Williams Argument bewiese. Und dann würde sich Margaret auch sehr aufregen, wenn er nicht käme. So schnappte er sich einen kleinen Jungen, der mit einem riesigen Krug hereinkam, den er mit Ale gefüllt nach Haus bringen sollte, und nahm dem kleinen Kerl das Versprechen ab, zu Master Kendalls Haus in der Thames Street zu laufen und Dame Kendall Nachricht zu geben, daß Bruder Gregory vor Nachmittag nicht zu erwarten stand. Sir William sah ihm zu und sagte bitter:
»Master Kendall, wahrhaftig! Noch so ein Kaufmann! Selbst ich kenne ihn! Sie geben sich nicht damit zufrieden, daß sie uns das Land wegnehmen, sie nehmen uns auch noch die Söhne!« Er blickte Bruder Gregory mit großem Ernst an.
»Gilbert. Du bist im Unrecht, und du weißt es. Geh heim zu deinem Vater. Fall vor ihm auf die Knie und bitte ihn um Vergebung. Unterwirf dich seinem Willen. Der Wille eines Vaters ist Gottes Wille. Du hast ihm Schande gemacht und seinen Namen durch die Gosse gezogen mit diesem ganzen Büchergelese und Gedichteschreiben und dem Geschwätz über deine Gottsuche. Bedenke eines: wenn Gott einen Menschen sehen will, dann tut Er ihm das im allgemeinen kund. Wenn Er dich also haben will, so wird er dich schon finden. Und ich hege ernsthaft Zweifel, ob ein Sohn, der nicht auf seinen eigenen Vater hören will, jemals auf Gott hören wird. Geh heim, Gilbert. Es ist deine Pflicht vor Gott und den Menschen.«
Bruder Gregory neigte vor dem Älteren das Haupt, wenn auch zähneknirschend. Sir William war ein guter Kerl, doch er begriff einfach nicht. Für ihn war alles nur eine Sache der Pflicht wie in einem Anstandsbuch, und er sah die Menschen einfach nicht, wie sie in Wirklichkeit waren. Nur Bruder Gregory kannte sich mit Bruder Gregorys Vater aus. Und Bruder Gregory war wild entschlossen, Gott zu sehen. Er hatte ein Hühnchen mit ihm zu rupfen, weil er ihm einen solchen Vater gegeben hatte. Das bedurfte einer ernsthaften Unterhaltung und Beschwerdeführung.
»Ich habe Vater einen Brief geschickt«, sagte er. »Ich habe ihm gesagt, daß ich einen Entschluß fassen will – einen Entschluß hinsichtlich meines spirituellen Lebens, und daß er dagegen nichts ausrichten kann.«
»Einen Entschluß? Willst du etwa Priester werden? Oder einem Orden beitreten?«
»Einem Orden. Ich bin fest dazu entschlossen. Ich habe mir schon einen ausgesucht. Ich bin dort bereits ziemlich lange gewesen, und er eignet sich hervorragend für meine Zwecke. Und Vater sollte mir dankbar sein. Viele Männer sind dankbar, wenn ein zweiter Sohn so gut unterkommt. Ich habe durchaus die Absicht, viele Stunden für das Seelenheil meines Vaters zu beten. Nicht nur weil er es nötig hat, sondern weil es mich noch demütiger macht.«
»Bei den Augustinern?« sagte Sir William hoffnungsvoll.
»Viel zu lax«, erwiderte Bruder Gregory. »Bei Tische stopfen sie neun Gänge in sich rein, lassen sich mit Wein vollaufen und schmuggeln Frauen ein. Und soweit mir bekannt ist, sehen die Gott niemals. Sie reden viel von Ihm, aber das ist auch alles. Nein, ich habe ein Kartäuserkloster ausfindig gemacht, in dem man sich auf höchster geistiger Ebene gänzlich der Kontemplation hingibt. Wahrscheinlich habt Ihr von dem dortigen Abt schon gehört – Godric der Schweiger. Manche halten ihn für den heiligsten Mann in ganz England. Er hat eine Reihe sehr interessanter Wunder bewirkt und zudem noch Hunderte von Dämonen ausgetrieben. Er pflegt regelmäßig erhabenen Umgang mit Gott. Genauer gesagt hat Gott ihm solch gewaltige und unbeschreibliche Weisheit verliehen, daß man, so es ihm beliebt mit den Menschen zu sprechen, was selten vorkommt, mehrere Wochen braucht, um zu entschlüsseln, was er gemeint hat. Mithin seht Ihr, daß ich wild entschlossen bin, die ewigen Gelübde bei den Kartäusern abzulegen und in ein höheres Reich der Spiritualität einzutreten – sowie ich noch mehr Demut erworben habe.« Der alte Mann war nicht etwa beeindruckt, sondern entsetzt. Doch er verbarg seine Gefühle, so gut er konnte, und sagte leichthin: »Gilbert, glaube bitte nicht,
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