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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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den äußeren falangistischen Firlefanz zu meiden, denn an höchster Stelle ging man inzwischen davon aus, daß es besser sei, effektiv, aber unauffällig aufzutreten, Stellung zu beziehen, wo nötig, und im Namen Gottes und seines Werks behutsam, aber entschlossen vorzugehen. Nur an der Heldenbrust des Generals und der beiden Obersten prangten die wohlverdienten Medaillen. Besondere Erwähnung verdiente das prachtvolle Kleid der Braut, eine Schöpfung von Charo Rodríguez, vollständig aus doppelseitigem Satin mit einem gewagten geraden Dekolleté und einer der längsten Schleppen, die wir je gesehen haben. Ihren Hut schmückte ein hocheleganter Kranz aus weißen Wildblumen, deren Duft bis zu unserem Sonderkorrespondenten drang. Gekrönt wurde die beispiellose Kreation von Charo Rodríguez von dem außergewöhnlich eleganten, luftigen Schleier. In den Händen trug die Braut einen hübschen Strauß aus weißen und rosafarbenen Rosen und duftendem Jasmin, ein Werk von Mateu & Trias (von unserem Sonderberichterstatter).
    »Die Ehe ist die wichtigste aller gesellschaftlichen Institutionen, Grundlage und Voraussetzung aller anderen; sie ist eine natürliche, soziale, religiöse und zivilrechtliche Einrichtung. Ich will hier nicht näher auf die Herkunft des lateinischen Begriffs für die Ehe eingehen, doch soviel sei gesagt: Das Wort ›Matrimonium‹ kommt von ›Matris munium‹ und verweist somit auf die Mühen der Mutter bei der Geburt, den theologischen Sinn und Zweck dieses Sakraments. Schon der heilige Thomas von Aquin hat die drei wichtigsten Zielsetzungen dieser Institution definiert: Fortpflanzung, Aufzucht des Nachwuchses und gegenseitige Hilfe, sowie die Voraussetzungen zum Erreichen dieser Ziele: Einheit, Fruchtbarkeit, Unauflöslichkeit, Religiosität und Rechtlichkeit.«
    Bei diesen Worten dachte Senyora Elisenda an ihre Ehe mit Santiago und ihre Liebe zu Oriol, dem einzigen Mann, den sie für einzigartig gehalten hatte, und an ihre Beziehungzu Quique Esteve, dem Mistkerl. Beherrscht vergoß sie eine einzige Träne, mehr um ihretwillen als wegen des Brautpaars, das sich gerade das Jawort gab. Er, weil ihm nichts anderes übrigblieb, denn was Mamà entschied, war unumstößlich. Und die Braut ist wirklich eine Wucht, aber es ärgert mich, daß ich heiraten und mich so früh binden soll. Und Quique und alle anderen, die er in seiner letzten verzweifelten Woche als Junggeselle ins Vertrauen gezogen hatte, hatten nur gesagt, tja, irgendwann erwischt es jeden. Und Mertxe, weil sie wußte, daß sie in eine der reichsten Familien Spaniens einheiratete, deren Vermögen angeblich solider war als das der Spanischen Staatsbank, auch wenn das sicher übertrieben war. Marcel glaubte sein großes Geheimnis wohlgehütet, eines der wenigen, die er vor Mamà hatte verbergen können, nämlich die Tatsache, daß er bei all seiner Unwilligkeit hoffnungslos in Mertxe verliebt war. Die Verlobungszeit war rasch und reibungslos verlaufen, abgesehen von ein paar lächerlichen Krisen und ein paar wenigen Seitensprüngen Marcels. Beim Abschiedstreffen mit Lisa Monells hatten ihn sogar leichte Gewissensbisse geplagt, weil Mertxe das nicht verdient hatte. Aber er mußte das Kapitel abschließen, schließlich war er ein Kavalier. Und Lisa war einfach himmlisch im Bett. Und man sollte sich im Leben immer ein paar Türchen offenhalten. Und was Mertxe nicht weiß, macht sie nicht heiß. Ich ruf dich an, Lisa, versprochen.
    »Wie bitte?«
    »Sie müssen jetzt sagen: ›Ja, ich will‹.«
    »Ja, Mamà.«
    Siehst du, Liebster? Schon haben wir ihn verheiratet, und ich glaube, sehr gut verheiratet.
    Auf dem offiziellen Hochzeitsfoto ist als Höhepunkt der prachtvollen Zeremonie zu sehen, wie der junge Vilabrú seiner Braut den Ring an den Finger steckt. Unserem Sonderberichterstatter zufolge war allseits spekuliert worden, die Trauung werde durch den Abt von Montserrat, den Bischof von La Seu oder Monsignore Escrivá de Balaguer vollzogen.Es spricht für das uralte Geschlecht der Vilabrús, daß ihre Wahl zuletzt auf einen einfachen jungen Landpfarrer fiel, Hochwürden Fernando Rella, der trotz seiner Jugend ein brillanter, wenn auch vielleicht ein wenig langweiliger Theologe ist (die Predigt jedenfalls war zum Einschlafen). Er ist Pfarrer der Kirche von Sant Pere in Torena, dem idyllischen Pyrenäendorf, das heute der zivilisierten Welt ein Begriff ist, weil sich dort die großartigen Anlagen für den zunehmend beliebten Wintersport befinden.

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