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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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galt es, mögliche Widerstandsnester ausfindig zu machen, um sich auf die nötigsten zu konzentrieren und diese mit einem Lächeln und einem Haufen Geld auszuräumen, nicht notwendigerweise für Bestechung, sondern … nun ja … für dies und das. Es war eine subtile Kunst, für die man keinen brillanten Studienabschluß und keinen hohen Intelligenzquotienten benötigte, sondern etwas so Ungreifbares wie einen zu allem entschlossenen Geist. Und Marcel war zu allem entschlossen, so sehr, daß er zum besten Schüler seiner Mutter wurde. Nach und nach freundete sich Marcel mit dem Jungvolk der Königsfamilie an und lud es ein paarmal nach Tuca Negra ein, wo alles erlaubt war, außer sich zu langweilen. Diese Initiativen beruhigten seine Mutter, die erkannte, daß Marcel, einmal geschliffen, ein würdiger Nachfolger sein würde. Im September neunzehnhundertsechsundsiebzig jedenfalls hatte Senyora Elisenda Vilabrú Ramis einen guten Geschäftsführer für Vilabrú Sport und die Anlage von Tuca Negra. Darüber hinaus konnte sie auf die eherne Treue von Rechtsanwalt Gasull zählen, der Marcel Besonnenheit lehren konnte. Also beschloß sie, noch einmal nach Rom zu fliegen.
    »Wir wissen Ihren großzügigen Beitrag durchaus zu schätzen, dank dessen das Heiligtum von Torreciudad noch zu Lebzeiten unseres ehrwürdigen Gründervaters fertiggestellt werden konnte.« Der Leiter der Institution und zukünftige Bischof der zukünftigen Personalprälatur, Señor Álvaro del Portillo, gab sich ebenso salbungsvoll und bescheiden wie der ehrwürdige Gründervater selbst.
    »Ich würde mir wünschen, daß sich diese Hochschätzung in Taten widerspiegelt.«
    »Jeder Schritt in diese Richtung, Señora, ist zwangsweise langsam. Aus Klugheit. Aus Liebe zur Wahrheit. Und ich würde sogar noch weiter gehen: aus evangelischer Bescheidenheit.«
    Monsignore legte die Handflächen auf die Tischplatte und zählte bescheiden auf: »Ehrungen, Auszeichnungen, Titel – alles Luft, aufgeblähte Eitelkeiten, Lügen, nichts.«
    »Und wie kommt es dann, daß schon von den Veranstaltungen zur Seligsprechung des ehrwürdigen Gründervaters die Rede ist?« Angesichts des Schweigens von Monsignore Portillo lächelte Senyora Elisenda Vilabrú: »Monsignore? Aufgeblähte Eitelkeiten?«
    »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen.«
    »Ich will darauf hinaus, daß der Prozeß der Seligsprechung des ehrwürdigen Oriol Fontelles fortschreiten und schließlich gelingen wird, wenn sich die Institution seiner annimmt. Er mag vielleicht langsam fortschreiten, aber nicht ewig.«
    »Meine liebe Señora Vilabrú: Sie müßten mir schon erklären, woher Ihr Interesse an …«
    »Keinerlei Interesse, Monsignore.« Ihre Augen sprühten Feuer: »Ich war Zeugin seines heldenhaften Todes. Ich will, daß jedermann sich seiner erinnert. Er hat sich ganz allein den roten Horden entgegengestellt. Und er ist für sein Ideal gestorben, als er das heilige Sakrament und die Heilige Mutter Kirche verteidigte. Das wissen Sie doch ganz genau, Monsignore.«
    Weiter sagte sie nichts. Sie sagte nicht, sein Tod kam viel zu früh, stirb jetzt nicht, Oriol, jetzt, da ich dich so wahnsinnig liebe, jetzt, da ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Mann liebe, stirb mir nicht, ich könnte es mir nicht verzeihen. Sie nahm ihn in die Arme, sein Kopf lag an ihrer Brust. Und er sah sie mit seinen dunklen, tiefen Augen an, bis sie merkte, daß sein Blick schon kalt und glasig war.Was tust du mir an, Oriol, daß du jetzt gestorben bist, wo ich dirgesagt habe, nein, nein, jetzt wird nicht gestorben, verstanden? Und du, Gott, mach dich auf was gefaßt.
    »Er ist tot, Senyora.«
    Nach ihrer Rückkehr aus Rom sah sie sich mit Gasulls Bericht konfrontiert, der ihr sagte, es tue ihm entsetzlich leid, aber er müsse ihr mitteilen, daß Marcel bei seinen außerehelichen Beziehungen über die Stränge schlage. »An einem Tag hat er hier groß gefeiert und eine Prostituierte mit ins Büro gebracht und hat sie … Ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll, er hat hier auf dem Schreibtisch …« »Hast du das getan, Marcel?«
    »Nun, Mamà, ich…«
    »Jetzt hör mir mal gut zu.Was willst du?«
    Wenn Mamà anfing, verfängliche Fragen zu stellen, geriet die Erde unter seinen Füßen gefährlich ins Wanken.
    »Ich verstehe dich nicht, Mamà.«
    »Es ist ganz einfach. Willst du ein großer Unternehmer sein? Liebst du Mertxe? Willst du dich von ihr trennen? Willst du dich von ihr scheiden lassen, sobald das

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