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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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rauchen.
    Valentí Targa war in Hochstimmung, weil ihm der Oberst zum Abschied freundschaftlich die Hand auf die Schulter gelegt hatte und man das als gutes Zeichen deuten konnte. Als sehr gutes Zeichen. Als er in den Raum zurückkehrte, in dem der Falangist Fontelles eingehend die Karten studierte, war er zu einem Schwätzchen aufgelegt. Mit dem Finger zeigte er auf Torena.
    »Hier«, sagte er.
    »Was hier?«
    »Hier werde ich mir ein Haus bauen lassen. Ich habe es satt, in der Pension zu wohnen.«
    »Warum lebst du nicht in Altron?«
    »Ich rede nicht mit meiner Familie.«
    Valentí Targa erklärte Kamerad Fontelles nicht, wie er an das Grundstück gekommen war, weil er sich mit dem Lehrer nicht streiten wollte. Es war ein verlockendes Gelände mit Blick über das gesamte Vall d’Àssua, und er träumte davon, dort ein Herrenhaus zu errichten wie Casa Gravat, mit geräuschlosen Bediensteten, seinem Bild im Empfangszimmer und einer Wanduhr aus Edelholz, die einem, wenn sie schlug, das Gefühl gab, man sei in einer Kathedrale. Und er würde seine Zuckerpuppe holen und sie in das Haus setzen, damit sie dort die Herrin spielte, wenn er sie nur überzeugen konnte, in einem Dorf weit weg von der Plaça Urquinaona zu leben. Und wie bei Casa Gravat würden auch die Fassade seines Hauses Sgraffiti schmücken, etwas ganz Feines: zur Rechten Gott der Allmächtige und die Falange, eine Frau, die einen Schild mit dem Antlitz José Antonios trug; zur Linken der Caudillo, Nuestra Señora del Pilar, die Schutzpatronin des Heeres, und ein paar tapfere Soldaten. »Und du wirst mir die Entwürfe anfertigen. Übrigens:Wenn du vorhast, auf Dauer in Torena zu bleiben, solltest du dir jetzt überlegen,ein Haus zu bauen. Ich hab’s dir gesagt und sag es nicht noch einmal.«
    Um elf Uhr nachts gab Oriol vom Fenster der Lehrerwohnung aus Blinkzeichen, die sagten, Bitte um Gespräch auf neutralem Boden eilig Gefahr, in der Hoffnung, daß an der Kontaktstelle jemand saß, der bereit war, sich für den Widerstand eine Lungenentzündung zu holen. »Niemand, wirklich niemand darf über die Serra d’Altars gehen, niemand darf in den nächsten zehn, vierzehn Tagen in die Schule kommen. Ihr müßt neue Routen finden.Vielleicht wird sich das Heer im Sommer aus dem Pallars zurückziehen.«
    »Bist du sicher?«
    Leutnant Marcó rieb sich den Bart und sah ihn mit vom Schlafmangel rotgeränderten Augen an.
    »Nein. Aber es wird darüber gesprochen.«
    »Komm, wir erklären dir, wie das Funkgerät funktioniert.«
    Zwei schweigsame Männer öffneten das Paket, das sie mitgebracht hatten, und stellten es vorsichtig auf dem Boden des Schulspeichers ab. Ein eiserner Kasten, ein paar Nadeln, ein paar Kopfhörer und eine Gefahr mehr.

55
    Er ließ sie an der Tür stehen, nachdem er sich mit einem Kuß von ihr verabschiedet hatte, der ihr zu kurz erschien, vielleicht weil hinter ihnen der Bruder Pförtner so tat, als starrte er interessiert auf den Bildschirm seines Computers voller klösterlicher Geheimnisse. Arnau schloß sacht die Türe hinter sich, und sie ging die vier Stufen hinunter, verzweifelt, ihres Sohnes beraubt, sie haben ihn verändert, sie haben einen sanften, resignierten Mann aus ihm gemacht. Aber er ist glücklich. Und er heißt immer noch Arnau. Nicht einmal Arni heißt er. Auf der Esplanade der Basilika ließ sie sich vom lächerlichen Licht des Nachmittags blenden, und all ihr Kummer brach über sie herein, als hätte er, zusammengekauert an der Tür des Klosters, nur darauf gewartet, daß sie herauskam, um sich dann auf sie zu stürzen. Während des gut einstündigen Gesprächs war es ihr gelungen, das aufdringliche Bild von Joana, der niederträchtigen Hündin, und Jordi, dem Schweinehund, der sie belog und erniedrigte, zu verdrängen. Eine Stunde lang hatte sie versucht herauszufinden, ob Arnau wirklich glücklich war oder nur so tat. Sogar im Habit eines Novizen war er hübsch. Die Haare waren kürzer, das Bärtchen war abrasiert, aber die Augen waren noch dieselben, und er sprach noch immer verhalten, aber mit einer Autorität, von der sie nicht wußte, woher er sie hatte.
    »Du bist traurig.«
    »Ich kann mich einfach nicht damit abfinden, dich zu verlieren.«
    »Du hast mich nicht verloren. Ich bin hier. Du kannst mich von Zeit zu Zeit besuchen.«
    »Ich habe dich verloren.«
    »Und wenn ich zum Studieren nach Boston oder Cambridge gegangen wäre?«
    »Dann wärst du trotzdem näher. Jetzt gibt es eine Barriere, die …«
    Sie

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