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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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zwei Kartographen mit Leutnantsrang und der falangistische Lehrer Fontelles, ebenfalls in Uniform, strammstanden und auf Befehle warteten. Ohne sie anzusehen, gab ihnen Oberst Silván das Zeichen »Rührt euch« und blickte dann fragend auf.
    »Zwei Hirten haben hier im Rathaus gemeldet, daß sie auf den alten Schmugglerpfaden verdächtige Individuen beobachtet haben.«
    »Und was sind das für Hirten?« Ungeduldig klopfte er mit dem Fuß auf den Boden.
    »Sie sind regierungstreu.«
    »Welcher Schmugglerpfad ist das?«
    »Der, der über die Serra d’Altars nach Norden führt«, sagte einer der Kartographen. Mit einem Rotstift zeichnete er in der Nähe des Gipfels des Montsent zwei Kreuze ein.
    »Aber der Schmugglerpfad führt über den Paß von Salau.«
    »Seit dem Krieg ist alles anders«, schaltete sich Targa ein, »Salau wird streng überwacht.«
    »Es gibt keine Überwachung.«
    Der Oberst plusterte sich auf, dann vertraute er den beiden Männern und dem Falangisten Fontelles an: »Wie zum Teufel stellt sich das Oberkommando vor, daß wir eine so verdammt lange Grenze bewachen sollen, wo es nichts als Schnee und Stürme gibt? Wir haben weder genug Soldaten noch Polizisten, und kein Maquisard wird …«
    »Und die verdächtigen Individuen?« mischte sich Oriol ein, um nicht als einer zu gelten, der nie den Mund auftat. »Immerhin sind sie gesehen worden.«
    »Wir werden Patrouillen an die Stelle schicken, wo sie entdeckt wurden. Sie sollen das Gelände bis Sant Maurici durchkämmen.« Er sah sich die Karte genau an: »Das ist ein sehr weiter Weg.Warum nehmen sie den?« Er wandte sich an seinen Adjutanten: »Vierzehn Tage patrouillieren.« Zu den übrigen: »Wir dürfen keinen Augenblick in unserer Wachsamkeit bei Salau nachlassen. Den ganzen Tag durchkämmen wir dieses verdammte Gebirge wie die Friseure.«
    »Natürlich, natürlich«, stimmten ihm die Adjutanten leise zu.
    »Was raten Sie uns zu tun, Oberst?« Targa war begierig, dem Vaterland, dem Caudillo, der Armee und Oberst Silván einen Dienst zu erweisen, einem der wenigen hochrangigen Offiziere, die den Falangisten wohlgesinnt waren, so daß er ihn innerhalb der Falange befördern konnte, zumal er der Bruder des heldenhaften Kameraden Silván und des Provinzchefs von Lleida war, vor allem aber Sohn des Kameraden Silván, des na-du-weißt-schon von José Antonio.
    »Nichts. Sollen die Banditen ruhig Vertrauen schöpfen. Die Armee wird das Gebiet bis Ende des Monats durchkämmen, danach müssen wir …«
    »Zieht sich die Armee etwa aus dem Pallars zurück?«
    Ein professioneller Spion lernt schon in der Grundausbildung, daß man als Doppelagent niemals wichtige, direkte Fragen stellen darf, weil dann alle Anwesenden verstummen und einen in drückender Stille ansehen und, je nachdem, ihre Pistolen aus dem Halfter ziehen, und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie schwierig es ist, neue Agenten anzuwerben.
    Alle Anwesenden – Valentí Targa, Bürgermeister von Torena, Oberst Silván, Leiter des Sonderkommandos der Armee im Pallars, das aus dem ersten Bataillon der zweiundsechzigsten Division des Navarrakorps hervorgegangen war, Korporal Benicio Fuentes, Oberst Silváns Adjutant, und die beiden Kartographen mit Leutnantsrang vom zweiten Bataillon der Zweiundsechzigsten, die auf Wunsch der Kommandantur des ersten Bataillons zum Sonderdienst abgestellt waren – verstummten und sahen in drückender Stille den falangistischen Judas Fontelles und die verräterischen Worte an, die er soeben ausgesprochen hatte. Noch blieben die Pistolen in ihren Halftern.
    »Warum fragen Sie das, Kamerad …«
    »Das ist der Lehrer Fontelles, ein …«
    »Weiß schon, weiß schon.« Er wandte sich an Oriol: »Warum?« Er zog erneut an der schon recht kurzen Zigarre.
    »Weil …« Er stellte sich vor, er wäre Viriatus und sein Gegenüber die Römer, und sagte laut: »Um mich für diesen Fall vorbereiten zu können und dem gesamten Lehrkörper des Bezirks Kampfgeist einzuflößen. Ich glaube, ich kann sie zu guten Informanten machen, Herr Oberst.«
    Der Oberst warf die Zigarre zu Boden und trat sie aus: »Wissen Sie, daß das gar nicht so dumm ist, was Sie da gesagt haben, Kamerad Fontelles?«
    Er streckte die Hand nach hinten, und sein Adjutant reichte ihm sein Käppi. Dann verließ er das Rathaus so eilig, wieer gekommen war.Wie die Betroffenen schon wußten, dauerte eine Sitzung unter der Leitung von Oberst Silván genau so lange, wie man brauchte, um eine Zigarre zu

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