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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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entschlossen, im Vall d’Àssua die Revolution zu beginnen. Da zuckte Josep Mauri die Schultern und zielte auf Senyor Anselms Genick, während der Lehrer Cid ihm, ganz Pädagoge, erklärte, das Entscheidende sei, daß jedes Dorf selbst Justiz übe, »es kann nicht sein, daß wir uns daran gewöhnen, daß jemand von außerhalb kommt und uns die Kastanien aus dem Feuer holt.« Nun hob auch Rafael Gassia, von der Anwesenheit so vieler Leute überzeugt, die Pistole, Joan Bringué jedoch, der bleicher war als Senyor Anselm, hielt seine Pistole gesenkt. Mauri schoß und stieß zugleich einen Schrei aus, um den Schrecken zu vertreiben, und auf der Veranda von Casa Gravat hörte Elisenda diesen Schrei lauter als den Schuß. Senyor Anselm Vilabrú, ehemaliger Hauptmann der spanischen Armee, fiel, bevor er ein paar Worte äußern konnte, die ihm einen epischeren Tod beschert hätten. Er hatte sie nicht rechtzeitig sagen können, weil er sich um seinen Sohn sorgte, aber er hatte noch Zeit für einen düsterenGedanken an Pilar, das Flittchen, und während sich die Kugel einen Weg in sein Gehirn bahnte, dachte er, du Schlampe, du hast es ausgenutzt, daß ich mein Leben fürs Vaterland aufs Spiel gesetzt habe, und hast mir in meinem eigenen Hause Hörner aufgesetzt, in meinem Bett, in Anwesenheit meiner Kinder, und das alles mit einem Dreckskerl, der Geld hatte, weil man im Theater ordentlich was verdienen kann, aber der Kerl war ein Versager, und ich hoffe bloß, er hat dich für den Rest deines verdammten Lebens unglücklich gemacht, so sei es. Dann stieß Gassia einen ähnlichen Schrei aus und ließ den ausrasierten Nacken von Josep Vilabrú Ramis von Casa Gravat explodieren, und dieser fiel ohne jede Verkündigung und ohne jeden Seufzer, nur mit dem Bild von Júlia aus Sorre vor Augen und dem absurden Gedanken, wie gut, daß ich sterbe, denn so muß ich Papà nicht erklären, daß ich ein Bauernmädchen heiraten will, das zwar hübsch und lieb, aber arm ist, weil es zu den Ponas aus Sorre gehört, und Papà kann mir nicht antworten, wenn du noch einmal so einen Schwachsinn redest, bringe ich dich um.
    »Ihr alle seid Zeugen geworden«, verkündete der Lehrer Cid, während er die Pistolen einsammelte und dem Feigling von Bringué einen Benzinkanister in die Hand drückte, »wie das Volk von Altron die Gerechtigkeit in seine eigenen Hände genommen hat.«
    »Torena.«
    »Was?«
    »Das hier ist Torena, nicht Altron.«
    »Ah ja? Seid ihr sicher?«
    Er warf einen raschen Blick zu seinen Männern hinüber, in dem ein Schatten von Schrecken oder vielleicht Angst lag. Dann sagte er schroff, »Gieß ordentlich Benzin drüber«, und Bringué leerte den Kanister schweigend über die Leichen aus, wie er seinen Hauseingang mit Schädlingsbekämpfungsmittel begoß, und der Lehrer reichte ihm ein brennendes Streichholz, und Bringué ließ es auf Josep fallen, der in ein Bauernmädchen verliebt gewesen war, und der Körperloderte auf wie eine Fackel, aber das Feuer griff nicht auf den anderen Leichnam über, weil dieser ein wenig abseits lag. Die Männer waren schon auf dem Weg zurück ins Dorf, und eine halbe Minute später fuhr der Lastwagen in Richtung Sorre, Altron und Rialb hinunter. Mitten auf dem Dorfplatz von Torena hatten sie Rafael Gassia von den Misserets, Joan Bringué von den Feliçós und Josep Mauri aus der Familie von Ignasis Maria zurückgelassen, die nun für ihre Revolution stark sein mußten. Hinter einem Fenster von Casa Gravat sah Elisenda sie sich genau an, dann lief sie eilig die Treppe hinunter, um zu sehen, was geschehen war, in der aberwitzigen Hoffnung, es sei nichts geschehen. Und mehr als einer oder zwei oder drei sagten, das geschieht ihnen recht, weil sie reich sind und Faschisten.
    An jenem Tag sagte die Báscones, nachdem sie »Synchondrosis« vor sich hingemurmelt hatte, »Du rauchst zuviel, Cassià, das wird dir noch die Leitungen verstopfen«, und Cassià schwenkte das Päckchen Tabak und entgegnete: »Mach dir keine Sorgen, das meiste raucht sowieso der Josep.« Sie sagte nichts, nur ihre Halsader (sternocleidomastoideus) pulsierte. Sie gab Cassià das Wechselgeld heraus, wartete, bis der Mann mit seinem vernebelten Hirn verschwunden war, verließ dann selbst den Tabakladen, klappte die Läden halb zu und lief zum Bürgermeister (denn Bürgermeister Targa war sehr wohl im Rathaus), um ihm zu berichten, daß Cassià ihr gesagt hatte, mach dir keine Sorgen, das meiste raucht sowieso der Josep. Valentí

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