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Die Stimmen des Flusses

Die Stimmen des Flusses

Titel: Die Stimmen des Flusses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaume Cabré
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nicht anstrengen kann«, und sie murmelte noch ein paarmal zufrieden »Synchondrosis« vor sich hin, dann sagte sie, »Ab nach Hause, Cassià«, als wäre er nicht der ältere Bruder eines der halsstarrigsten, dreckigsten Republikaner, Freimaurer, Separatisten, Roten, Anarchisten und Katalanisten des Dorfes, Josep Mauri aus der Familie von Ignasis Maria, der in diesem Augenblick zum x-ten Mal die Deckenbalken auf dem Dachboden zählte und sich bemühte, nicht durch das Loch der Zeit in die Vergangenheit, die Gegenwart oder die Zukunft zu schauen, die er nicht hatte. Er bemühte sich auch, nicht an den Abend vor acht Jahren zurückzudenken, als wenige Tage nach der faschistischen Erhebung Ende Juli sechsunddreißig sieben Anarchisten auf einem mit Fahnen bedeckten Lastwagen auf dem Dorfplatz vorfuhren. Angeführt wurde der Trupp von einem Lehrer aus Tremp, Máximo Cid, der, kaum daß er vom Wagen gesprungen war, sagte: »Du, du, du und du, holt mir den her, der hier das Sagen hat.« Und du, du, du und du gingen ins Rathaus und fanden dort den Bürgermeister Joan Bringué nicht, weil er bei der Heuernte war, und Máximo Cid mußte einen verfluchtsteilen Hang hinauf bis zur Wiese laufen, und als sie zurück im Dorf waren, ließ er Josep Mauri und Rafael Gassia von den Misserets holen, die beiden Gemeinderäte, schleppte sie auf den Platz, und Bringué sagte, »Moment mal, wir sind Republikaner, was wollt ihr von uns, verdammt noch mal«, und Cid entgegnete: »Von euch will ich gar nichts, ich will nur Gerechtigkeit üben.« Mit erhobener Stimme präzisierte er: »Ich will, daß die Geschichte Gerechtigkeit übt.« Und Bringué, Mauri und Gassia sahen sich schon von den Anarchisten umgebracht, und das allein wegen Lehrer Cid, dem Mistkerl; aber dieser befahl ihnen nur, ihm das Herrenhaus des Dorfes zu zeigen, und da verstand Josep Mauri, daß Máximo Cid ein Idiot war, wo er doch während seiner Frage mit dem Rücken zur prächtigen Fassade von Casa Gravat mit den Sgraffiti im oberen Teil stand, an denen sich Josep Mauri von seinem Versteck auf dem Dachboden aus schon längst satt gesehen hatte. Die Anarchisten schlugen mit der flachen Hand an die Edelholztür, dann drangen sie, begleitet von Bringué, Gassia und Mauri, ins Herrenhaus ein. Sie drängten Bibiana zurück, die ihnen geöffnet hatte, und führten vor den Augen der entsetzten Elisenda ihren Vater, Senyor Anselm Vilabrú Bragulat, den ehemaligen Hauptmann der Armee und den Helden von Al- Hoceima, der während seines aktiven Dienstes an mehreren Militärputschen beteiligt gewesen war, sowie ihren Bruder Josep ab, der nur vier oder fünf Jahre älter war als sie. Und Lehrer Cid spuckte auf den Boden und sagte: »Gleich kommen wir wieder und nehmen das Haus in Besitz, denn das ist ab sofort vom Volk konfisziert.« Dann schleppte der Trupp, die düsteren Mienen von Wahrheit erfüllt, am hellichten Tag mit Máximo Cid, Joan Bringué von den Feliçós, Rafael Gassia von den Misserets und Josep Mauri aus der Familie von Ignasis Maria die beiden Männer von Casa Gravat, denen sie die Hände auf dem Rücken gefesselt hatten, zum Hang von Sebastià neben dem Friedhof, verfolgt von entsetzten oder lächelnden Blicken hinter den Fensterscheiben. Der Hang von Sebastià hat nämlich eine Neigung, die wie geschaffenscheint für die politischen Bedürfnisse der Gegend, Bibiana, das können nur Bringué und die anderen beiden angezettelt haben, wie heißen sie bloß, die haben uns verraten, Bibiana, woher sollen die aus Tremp das wissen, die haben sie geholt, Bibiana, und ich schwöre dir, sie werden mir für diese Morde büßen. Sei still, du bist noch ein Kind. Ich denke nicht daran, den Mund zu halten, Bibiana, na los, sag mir schon, wie die anderen beiden heißen. Und Bibiana, die das Mädchen kannte und wußte, welches Unglück daraus erstehen könnte, sagte: »Rafael von den Misserets und Josep Mauri.«
    Lehrer Máximo Cid stellte die Männer so hin, daß sie hangabwärts blickten, und als Anselm Vilabrú sah, daß Josep auf die Knie gesunken war, sagte er: »Laßt ihn gehen, er ist doch noch so jung.« Und Lehrer Cid richtete Josep auf und gab Bringué eine Pistole, eine weitere Mauri und eine dritte Gassia und sagte ihnen: »Zielt aufs Genick, und das war’s dann.« Die drei Männer sahen einander zögernd an. Hinter ihnen trat der Rest des Trupps ungeduldig von einem Bein aufs andere und wartete darauf, daß die drei republikanischen Spießer sich endlich

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