Die Stimmen des Flusses
der bei Vilabrú Sports S.A. mehr und mehr die Geschäfte leitete und inzwischen Miteigentümer von Tuca Negra war, lag in diesem harten Winter des Jahres neunzehnhundertzweiundachtzig in Straßburg.
»… Das ist nicht dasselbe, das kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen. Es ist … wie soll ich sagen … Sieh mal, ich liebe meine Frau sehr. Aber das hier ist etwas anderes. Das ist eine Ausweitung, die niemandem weh tut, und wenn man’s recht betrachtet, habe ich sie mir verdient. Vor zwei, was sage ich, vor …«
»Hör mal, Süßer. Ich habe dich nur gefragt, ob du verheiratet bist.«
»Ja, aber ich wollte dir sagen …«
»Ich habe nur so gefragt.«
»Aha.«
»Du wirst schon sehen, du kommst wieder.«
Das Mädchen trat auf Marcel zu, der ganz gegen seine Gewohnheit nicht die Initiative ergriffen hatte. Sie begann, ihn auszuziehen, und er ließ es mit sich geschehen, warf aber von Zeit zu Zeit einen flüchtigen Blick aufs Telefon. Daß er einen Anruf von Mertxe erwartete, die krank war, hatte in ihm Gewissensbisse geweckt, ein ganz neues Gefühl, das ihn sehr beunruhigte, da es einer Erektion im Wege stehen konnte.
Der Service war phantastisch, und für eine Weile vergaß Marcel, daß ihm Laxis Co. beim Kauf der unverschämt billigen Trainingsanzüge um Stunden zuvorgekommen war, und er vergaß die Angst vor der Sitzung, die am nächsten Tag in Straßburg mit den Geschäftsführern zweier Stationen in Sapporo anstand, die Tuca Negra kaufen wollten.
»Um keinen Preis, Marcel«, hatte seine Mutter gesagt. »Wenn sie sie kaufen wollen, bedeutet das, daß sie noch mehr Gewinn abwerfen kann, als sie es jetzt schon tut.Wir können eine Renditeermittlung in Auftrag geben, aber verkaufen werden wir auf keinen Fall.«
Seit Elisenda vor zehn Jahren, zur gleichen Zeit, als ihrEnkel Sergi geboren wurde, Hauptgesellschafterin von Tuca Negra geworden war, war die Station unaufhörlich gewachsen. Und seit ihr Sohn die Schweden von der Frölund-Pyrenéerna Korporation als Mitgesellschafter abgelöst hatte, hatte sich die Anzahl erstklassiger schwarzer Pisten mit extremen Abfahrten gewaltig vermehrt. Außerdem bot die Skistation ein reiches Angebot an Langlaufloipen, die landschaftlich so reizvoll waren, daß jeder, der einmal dort gewesen war, wiederkommen wollte, dazu einen ausgedehnten Familienbereich mit sanften Pisten und allen Serviceleistungen. Nur vom Wetter waren sie abhängig und mußten dem zuständigen Heiligen – wer auch immer das war – Kerzen anzünden, ansonsten kamen die Leute von ganz alleine nach Tuca Negra und kauften mehr und mehr die Artikel von Brusport, der angesehenen Sportdesignermarke, der sportgewordenen Eleganz.
»Ich würde mich mal nach Val de Proudhon erkundigen«, sagte Marcel, schon im Aufbruch.
»Wie geht es Mertxe?«
»Ziemlich mies: Diese Eierstockgeschichte … und noch dazu ist sie erkältet.«
»Warum Val de Proudhon?«
»Es heißt, sie wollen verkaufen.«
»Geh mal hin. Aber unternimm nichts, bevor du mit mir gesprochen hast.«
»Ja, Mamà.«
Er nahm den Mantel und schloß leise die Tür, bevor Ciò, die von Tag zu Tag älter wurde, es tun konnte. Er hatte vergessen, seiner Mutter einen Kuß zu geben, weil er es eilig hatte, den verdammten Weg nach Barcelona hinter sich zu bringen. Bis sie sich entschließt, das Haus in Torena aufzugeben, bin ich steinalt.
Und darum war Marcel Vilabrú nun in Straßburg im Hotel und präsentierte seinen Penis einer Prostituierten, die gar nicht wie eine Professionelle aussah, sondern wie eine Märchenkönigin, die aber behauptete, im Blasen unschlagbar zusein. Er ahnte schon, was kommen würde, und tatsächlich: Mitten in die Fellatio hinein klingelte das Telefon.
»Ja?«
»Ich bin’s.Wo warst du?«
»Ich? Wie geht’s dir, Liebes?«
»Naja. Ich fühle mich schlapp. Ich habe dich angerufen, weil ich deine Stimme hören wollte, und …«
Sein Penis begann zu schrumpfen, die Königin von Straßburg reagierte professionell, und Marcel sagte ins Telefon: »Das Meeting hat viel länger gedauert als geplant. Ruf Mamà an und sag, sie soll sich um Val de Proudhon keine Gedanken machen, das interessiert uns nicht.«
»Geht’s dir gut? Marcel?«
»Ja, alles in Ordnung.Wieso?«
»Ich weiß nicht, deine Stimme zittert.Was ist los?«
»Mit mir?«
Er schob die Königin des Elsaß beiseite.Vielleicht war er zu grob, jedenfalls sagte sie, »Hej, paß doch auf«, wütend, laut und auf französisch mit deutschem Akzent.
»Was
Weitere Kostenlose Bücher