Die Stimmen des Flusses
Targa schrie: »Verdammt sollen sie sein, alle miteinander!« Zur Báscones sagte er, »Ich bin dir einen Gefallen schuldig«, und die Báscones hob den Arm zum faschistischen Gruß und sagte,»Ich habe bloß meine Pflicht getan,viva Franco«, und als es dunkel wurde, drang Valentí Targa mit drei oder vier Männern in das Haus der Familie von Ignasis Maria ein. Sie erschreckten die beiden Alten, die in der Küche saßen, in die Flammen starrten, an ihr Leben zurückdachten und alten Lieben nachtrauerten, und durchsuchten alles, wirklich alles,den Keller, den Heuschober und den Dachboden, und in einem Winkel, den sie bei den beiden vorhergehenden Hausdurchsuchungen übersehen hatten, weil er geschickt hinter einer Backsteinwand verborgen lag, fanden sie einen kreidebleichen Josep Mauri, der seit vier Jahren und elfeinhalb Monaten heimlich auf dem Dachboden lebte und von dem Tag träumte, an dem er zum Heumachen oder Kühemelken nach draußen gehen konnte, der durch das Loch, durch das die Tauben ein und aus flogen, auf das Dach und einen Teil der Fassade von Casa Gravat geschaut und gedacht hatte, es wird ein Tag kommen, an dem Targa verschwindet und ich wieder rauskann, obwohl er sich nicht sicher war, denn Rafael Gassia und Joan Bringué hatte es schlimmer erwischt als ihn, naja, man könnte auch sagen, sie hatten es besser als ich, denn es ist eine Schweinerei, daß ich wie eine Ratte in meinem eigenen Hause lebe und mir so lausig kalt ist, daß nur Berge von Decken helfen. Nur nachts verließ er den Dachboden, vertrat sich die Beine, liebkoste Felisas Hinterteil und verlangte nach mehr Zeitschriften, mehr Luft, ich kann nicht mehr, Felisa, was wißt ihr vom Krieg in Europa?
Josep Mauri sah aus wie ein Geist, blaß vom Dachboden und vom Schrecken, als sie ihn nach draußen schleiften und er geblendet ins schwache Licht des abnehmenden Mondes blinzelte. Er dachte bei sich, das war’s, nun hat die Qual ein Ende.
Am nächsten Tag lief die Nachricht um, Josep Mauri, der Flüchtling, sei ins Dorf zurückgekehrt, um sich umzubringen. Was sagst du da? Wie und wo? Am Hang von Sebastià hat er sich am Feigenbaum erhängt. Mein Gott, wie schrecklich. Ja, wie schrecklich. Wie Judas, der hat sich auch an einem Feigenbaum erhängt, und war da nicht was mit dreißig Münzen? Weil er ein Mörder war, ein Revolutionär, ein Anarchist und Katalanist. Armer Josep, wie alt war er wohl? Wann wird das alles ein Ende haben. Oriol schrieb eine Nachricht an Leutnant Marcó, gestern, als ich auf dem Hügel von Triador war, haben Targa und seine Männer einen weiteren Mannumgebracht. Ich kann es nicht beweisen, aber es ist eindeutig. Einen Josep Mauri, den ich nie kennengelernt habe, weil er auf der Flucht war. Angeblich ist er zurückgekommen, um sich das Leben zu nehmen.
»Das ist der dritte«, sagte Leutnant Marcó, und alle im Dorf sagten das gleiche, denn alle erinnerten sich genau. »Der erste war Bringué, kaum daß die Armee eingerückt ist. Dieser Idiot war nicht geflohen, und so starb er als Bürgermeister und Märtyrer. Mit Gassia war es schon ein bißchen schwieriger, aber zuletzt haben sie ihn auch erwischt. Und jetzt Mauri. Drei. Die drei Anarchisten von Cid.« Er trat den Zigarettenstummel aus. »Die drei, von denen behauptet wird, sie hätten die Männer von Casa Gravat auf dem Gewissen.«
Oriol starrte unbehaglich auf den Schulkalender an der Wand. Leutnant Marcó dehnte das Schweigen, bis es so gespannt war, daß es brach: »Dahinter steckt sie.«
»Wer?«
Joan Ventura stand auf und sah sich um: Es gab nicht einmal ranzige Haselnüsse.
»Paß auf, spiel nicht den Dummen«, warnte er, dann öffnete er die Tür und löste sich in Luft auf. Oriol blieb allein im dunklen Klassenzimmer zurück. Er sah nach draußen, auf den Platz hinaus. Das ganze Dorf lag im Dunkel, die Menschen schliefen oder taten, als ob sie schliefen, und er dachte, das kann nicht sein, sie ist eine sanfte, anständige Frau, es kann nicht sein.
Sie hatten ihn an einem hohen Ast des Feigenbaums am Hang von Sebastià gefunden, und Felisa schrie vor Schmerz, schrie und heulte, wagte aber nicht zu erzählen, was in jener Nacht geschehen war. Elisenda, die von der Terrasse aus Felisas Wehklagen hörte und wußte, daß ihr Goel die Arbeit beendet hatte, für die sie ihn eingestellt hatte, weinte zum ersten Mal seit acht Jahren. Bibiana dachte, wenn ich ihr die Namen nicht gesagt hätte, hätte sie sie auch so herausgefunden. Dann schloß sie die Augen
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