Die Story von Joanna
aber so wurde ich nun mal in diese Welt hineingeboren. Und was Joanna betrifft ... ich habe ein Recht darauf, daß sie mir hilft. Es ist mein Recht, Entscheidungen zu treffen. Wenn ich schon vor meinem Tode verrottet bin, wenn mein Fleisch schon vorher wie Aas stinkt, so habe ich vom Tod nichts mehr zu fürchten. Wenn ich schon zu Lebzeiten so etwas wie verwesendes Aas bin, so bin ich doch bereits tot. Bis auf diese Gefühle, die mich immer noch plagen. Ich heiße den Tod willkommen. Ich sehe in ihm die süße Erlösung von den Verwüstungen des Lebens. Das Leben ist von Vergiftung erfüllt. Wir alle sind Teil dieser Vergiftung ... wir sind alle beschmutzt durch das, was wir nun mal sind.«
Jason starrte mißmutig und beinahe angewidert auf seine Hände hinab. Er bekam einen schwachen Hustenanfall. Der Laut wurde durch die schwere, feuchte Luft noch mehr gedämpft.
»Ich hatte einmal gehofft, anders zu sein. Ich hatte gedacht, mein Leben mit dem Studium von Kunst verbringen zu können. Aber ich mußte feststellen, daß ich kein Künstler war. Welch jäher Sturz war doch damals für mich diese Erkenntnis gewesen! Ich hatte zum erstenmal die harte Wirklichkeit zu spüren und zu kosten bekommen ... wie das ist, wenn man dahinterkommt, daß man gar nicht das ist, was man sein möchte. Da erst hieß ich es zum erstenmal willkommen, daß ich reich geboren war. Meine Wirklichkeit ist der Traum von jedermann. Aber mein Traum war immer noch nur ein Traum. Oh, wie ich den Tod begrüßen werde!«
Jason hatte Fieber. Der kühle Regen verhalf Jason zwar zur Illusion des Wohlbefindens, aber in Wirklichkeit verschlimmerte er Jasons Zustand nur noch mehr.
Jason ging zu dieser Steinbank hinüber, auf der er einmal mit Joanna gesessen hatte. Er blickte zum Himmel empor, konnte aber weiter nichts als düsteres Grau sehen.
»Oh ... wie dieser Tag doch zu meiner gegenwärtigen Stimmung paßt!«
Jason sprach, wie er es oft tat, in einem Stil, als wollte er Literatur komponieren; als wollte er versuchen, in einen Augenblick soviel Dramatik wie nur irgend möglich hineinzupressen ... oder aus einem Augenblick herauszuholen.
Aber wie so oft war auch jetzt seine aus dem Augenblick heraus geborene Literatur nichts weiter als Abfall. Die Worte klangen selbst in seinen eigenen Ohren merkwürdig hohl und leer.
Sein Versagen als Schriftsteller quälte ihn genauso wie sein Versagen als Künstler.
Falls es an ihm überhaupt etwas Nobles gab, dann wohl allenfalls sein Vermögen.
Aber Jason spürte nur allzu deutlich, daß dies nicht genug war.
Er wollte sich als einen Hamlet sehen ... wahrhaft tragisch; brillant und strahlend, aber doch verdammt.
Aber Jason konnte es nicht.
Jedesmal, wenn er von seinem Dasein sprach .. . jedesmal, wenn er versuchte, seine Weltmüdigkeit mit Worten auszudrücken .. . dann wurde er stets von der Leere, von der Bedeutungslosigkeit seiner eigenen Worte verspottet.
Seine Kleidung war inzwischen durchnäßt; er war bis auf die Knochen durchgefroren.
Düster starrte Jason vor sich hin. Er nahm seine Umgebung kaum noch wahr. Seine Gedanken schweiften ab, und er versank mehr und mehr in tiefsinnige Grübeleien.
Doch all sein Denken nutzte ihm nichts. An der Ausweglosigkeit seiner Lage ließ sich nichts mehr ändern.
Jason wußte, wer er war ... wenn er ausnahmsweise einmal bereit war, sich das selbst einzugestehen.
17
Joanna saß nackt mitten in ihrem Zimmer auf dem Fußboden. Das Haar war auf ihrem Kopf hochgesteckt. Ihr Hals steckte in einem dicken, schweren Metallhalsband, das an einer dicken Gliederkette befestigt war, die über die nackten Schultern und über den nackten Rücken hinabhing.
Auf der anderen Seite des Zimmers saß Jason in einem Sessel. Jason trug einen langen Bademantel. Das Ende der Kette war um Jasons rechte Hand gewickelt. Sein Gesicht zeigte einen beinahe bitteren Ausdruck.
Der flackernde Feuerschein aus dem Kamin akzentuierte die Blässe der Haut und verbreitete unheimliche Helligkeit im kalten Raum.
Jason zerrte an der Kette und riß auf diese Weise Joannas Kopf nach vorn.
Die Adern in Joannas Hals traten dick hervor.
Wieder zerrte Jason, diesmal noch kräftiger. Er riß Joannas Kopf herum, so daß sie jetzt in Jasons Richtung blicken mußte.
Joanna rutschte über den Fußboden auf Jason zu. Sie griff mit beiden Händen an ihren Hals. Teils deswegen, weil das massive Halsband schmerzte; teils deswegen, weil Joanna keine Freude daran hatte, sich wie ein Fisch an der Angel an
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